Gino




Die fabelhafte Fibel

Der Hund, der Mensch und die Leichtigkeit des Seins

Vorwort

Mein Name ist Vladimír Novák, geboren und aufgewachsen bin ich in der ehemaligen Tschechoslowakei, der heutigen Tschechischen Republik. Großes Glück war es, daß mir als Kind und Jugendlicher ein paar Regeln und Grenzen erklärt und gesetzt wurden, was nicht immer auf mein vollstes Verständnis stoß. Mein Beruflicher Werdegang tut nichts zur Sache, was mich mit Sicherheit geprägt hat ist die Zeit, in der ich Hochleistungssport betrieb (Leichtathletik - mittlere und lange Strecken, von 800m bis zum Halbmarathon). Leistungssport betreibe ich bis heute. Seit 1988 lebe ich in Deutschland.

Es gibt Menschen, die mich begleiten, die meiner Seele gut tun, obwohl sie nichts von mir wissen: Herr Jiří Ledvinka, Herr Jaroslav Dušek und seine Gäste aus der Sendung „Duše K“, Herr Clemens Kuby und andere. Ihnen allen möchte ich danken, daß sie den Mut haben, so zu sein, wie sie sind, sich selbst treu bleiben und uns allen die Möglichkeit bieten, an ihrem Erfahrungsschatz und ihrer Reinheit teilzunehmen.
Es gibt Menschen, die mich kennen, mich begleiten, mir oft Mut zusprechen, vielleicht ohne es zu wissen. Derer bloße Anwesenheit und Kontakt mit Ihnen sind für mich von unermeßlicher Bedeutung. Heinz, Ywette, auch euch gehört mein Dank!
Ganz spezielles Dankeschön geht an Jiri, den Menschen, der mich am besten kennt, ohne sie würden diese Zeilen gar nicht erst entstehen können. Danken will ich unseren treuen Begleitern, den Hunden. Einige von ihnen werden auch Sie kennenlernen, zwei von ihnen etwas näher: Gino, den König mit dem alles anfing und Nero, der zu mir kam ohne zu fragen, mein ganzes Leben etwas aus den Fugen hob und umkrempelte. Bei ihm durfte ich lernen, daß nichts unmöglich ist, daß es unsere Wahrnehmung ist, die viele Sachen erst unmöglich erscheinen läßt - eine Illusion.

Wenn ich gefragt werde, ob ich ein Hundetrainer bin, ist meine Antwort ein klares „Nein“. Selbst bezeichne ich mich als Hundepsychologe. Ohne Bezeichnungen geht es in unserer Kultur halt nicht, also habe ich eine auch für mich. Im Bezug auf Hunde habe ich nur ein Ziel: es soll ihnen möglichst gut gehen, ES GEHT IMMER UM DEN HUND.
Auf den folgenden Seiten finden Sie nicht unbedingt das, was andere schon oft genug geschrieben und viele von Ihnen bereits gelesen haben. Meine Absicht ist es nicht, allen zu gefallen und ihnen Recht zu geben. Diese Zeilen sollen das Thema Hund anders, von einer anderen Seite angehen. Es ist keine wissenschaftliche Abhandlung und erhebt keinen Anspruch, eine zu sein.
Was ich hier schreibe basiert vom großen Teil auf meinen eigenen Beobachtungen, Überlegungen, Empfindungen und Auslegungen, nicht darauf, was ich gelesen oder gehört habe. Es ist meine eigene Interpretation der Wirklichkeit.
Sie finden hier keine Methode, einfach deswegen, weil ich keine feste Methode habe. Meine Ansichten und Meinungen werden nicht jeden ansprechen, sie sind nicht wissenschaftlich belegt und/oder mit Studien untermauert. Ich weiß überhaupt nicht woher sie kommen, aber sie sind da.

Verzeichnis

A
Am Anfang
Alternativverhalten
Angst
Antiautoritär
Aufgabe
Aufmerksamkeit

B
Belohnung
Beziehung
Bindung

D
Demokratie
Distanz
Dominanz

E
Ego
Eigenverantwortung
Emotionen
Energie
Erfahrung
Experten

F
Fragen
Freiheit

G
Geschichten
Geschirr
Grenzen

H
Hund

I
Illusion

K
Körpersprache
Kommunikation statt Konfrontation
Konflikte
Konsequenz
Kontakt statt Kontrolle

L
Leine
Liebe
Lösung (Einfachheit)

M
Mensch
Methode

O
Orientierung

P
Pragmatisch
Prinzip

Q
Quelle

R
Rasse
Raum
Reden
Regeln
Respekt

S
Selbstbelohnend
Selbstreflektion
Signale
Situation
Spezialisierung
Stille
Streicheln oder Kraulen
Streß
Symptome
System

T
Theorie(n)
Tier
Training

U
Unterschied
Ursache

V
Verhalten, Verhaltensweisen
Vertrauen statt Vertrag

W
Warnen
Wirklichkeit

Z
Zucht
Zuneigung
Zutexten


Am Anfang

Am Anfang steht der Hund, alles dreht sich um den Hund, es geht immer nur um den Hund. Darum, seine Perspektive, sein Verhalten als Reaktion auf sein Umfeld, also auch auf uns Menschen zu verstehen.
Das ist der wichtigste Gedanke, den wir Menschen verinnerlichen sollten, wenn wir mit Hunden umgehen. Das ist das Motto nach dem sich mein Denken und Handeln orientiert. Ununterbrochen kontrolliere ich meine Einstellung, jeder Situation will ich offen begegnen, damit ich flexibel reagieren kann. Wie bei einem Hund, der in Sekundenbruchteilen sein Verhalten neu ausrichtet und dem Umfeld, den Umständen anpasst.

Alternativverhalten

Eine sehr gute Methode, in einer kritischen Situation einen Hund zu lenken. Allerdings ist es auch bei diesem Thema wie mit der Atomenergie: sie kann dienen oder auch katastrophale Folgen haben.
Beispiel: bei einer Familie kamen schon 2 Hundeschulen und eine Hundetrainerin zum Einsatz. Vor allem bei den Besuchen gab es Schwierigkeiten, der mittelgroße Mischling bellte jeden Besucher laut an und wollte ihn vertreiben. Die Hundetrainerin empfahl, den Hund in die Box zu schicken. Der Hund musste unter großen Protesten seinerseits in die Box geschoben werden und bellte auch da weiter. Daraufhin kam das Alternativverhalten zum Einsatz. Der bellende, gestresste Hund bekam einen Kauknochen und wurde in die Box gesperrt. „Damit er sich mit etwas anderem beschäftigen kann und auf andere Gedanken kommt“, so die Hundetrainerin.
So wie hier beschrieben ist es KEIN Alternativverhalten. Der springende Punkt ist die Abfolge der Handlungen an. Die Hundetrainerin bietet dem Hund keinen Ansatz, wie er sich verhalten soll, empfiehlt den gestressten, protestierenden Hund in die Box zu sperren und wirft ihm einen Knochen hin. Wenn der Hund es in seiner Aufregung überhaupt schafft, sich dem Kauknochen zuzuwenden, entscheidet er selbst, was und wann er macht, ohne jeglichen Bezug zu seinem Menschen. Wenn es ganz dumm läuft, wird er den Kauknochen als Belohnung für sein aggressives Verhalten verstehen und sich beim nächsten Mal noch mehr aufführen, um es sich zu verdienen.
Wichtig ist, den Hund zuerst dazu zu bringen, daß er uns folgt, gehorsam ist und uns seine Aufmerksamkeit schenkt. Wenn er auf unsere Aufforderung das gewünschte Verhalten zeigt, kommt die Bestätigung – das richtige Verhalten wird belohnt. Ob es nun ein Kauknochen, ein Leckerli, Lob oder Zuneigung ist, das spielt keine Rolle. Nehmen Sie einfach das, was funktioniert und was Ihnen am besten zusagt.
Wir korrigieren oder belohnen IMMER den augenblicklichen Zustand des Hundes, sein aktuelles Verhalten. Wenn ein Hund bellt, aggressiv ist und einen Kauknochen oder Leckerli bekommt, wird dadurch dieses Verhalten bestätigt – hier also das Bellen und Aggressivität.
Der richtige Ablauf sieht in etwa so aus:
Der Hund bellt, wir versuchen seine Aufmerksamkeit umzulenken. Wenn wir mit dem Hund das Alternativverhalten noch nicht geübt haben, sollten wir den Hund an die Leine nehmen, um ihn besser kontrollieren zu können. Ganz sachte mit kurzen Impulsen holen wir den Hund zu uns. Ist er bei uns angekommen, beanspruchen wir seine Aufmerksamkeit, der Hund soll uns anschauen. Um es für den Hund einfacher zu machen, können wir die Distanz zwischen ihm und dem Reiz vergrößern. Schaut uns der Hund an, laden wir ihn ein, mit uns in die andere Richtung zu gehen. Hier reichen schon ein, zwei Schritte. Reagiert der Hund wie gewünscht, wird er belohnt.
Wichtig: KEINE Kommandos!
Wenn wir mit dem Hund das Alternativverhalten zuerst ohne Reiz üben wollen, bleiben wir neben dem gesicherten Hund stehen und warten einfach nur ab. Gesichert deswegen, damit er keine Möglichkeit bekommt, sich ein Alternativverhalten selbst auszusuchen (weggehen oder sich mit anderen Sachen wie Schnüffeln beschäftigen). Schaut uns der Hund an, zeigen wir ihm, was wir von ihm wollen: wir laden den Hund ein, mit uns ein paar Schritte in die andere Richtung zu laufen. Tut er das, wird er sofort belohnt.
Wenn unser Verhalten für den Vierbeiner neu sein sollte, wird er anfangs wahrscheinlich überrascht sein und uns etwas zögernd und ungläubig folgen. Das macht nichts, Übung macht den Meister. Nach ein paar Wiederholungen wird sich der Ablauf festigen und wir bekommen einen Hund, der uns mit Freude folgt.

Angst

Die häufigste Ursache für aggressives Verhalten. Ein ängstlicher Hund ist ein gestreßter Hund. Oft ist es der Mensch, der die Angst bei seinem Hund kultiviert. Da wir wissen, dass Hunde unsere Energie spiegeln, ist es nur logisch: ein unausgeglichener, ängstlicher, unsicherer Mensch kann seinen Hund zum Wahnsinn treiben. Oft erleben wir einen Teufelskreis – der Mensch wird durch ein Erlebnis (z. B. eine etwas wildere Hundebegegnung) unsicher. Beim nächsten Mal, wenn er wieder einen fremden Hund sieht, wird er nervös, der eigene Hund reagiert auf seine Unsicherheit und schon drehen wir uns im Kreise. Der Mensch beeinflußt den Hund, der Hund den Menschen.
Viele versuchen einen ängstlichen Hund zu trösten ("ist ja guuut"), was ein kapitaler Fehler ist. Bitte, unterlassen Sie es. Ein Hund kann nicht wie ein Kind getröstet werden. Wenn wir einen ängstlichen Hund streicheln oder auf ihn einreden, bestätigen wir die Angst. Das wird uns der Hund danken, indem er noch ängstlicher wird. Durch das Streicheln und Zureden geben wir dem Hund die Information, daß Angst das richtige Verhalten ist.
Lösungseinsatz: bleiben Sie einfach nur ruhig und seien Sie für Ihren Hund da. Ein Körperkontakt (noch einmal: kein Streicheln) hilft, die ruhige Energie vom Menschen zum Hund zu übertragen.
Bei kleinen Hunden nehmen einige Hundehalter in Streßsituationen ihren Hund hoch auf den Arm. Das macht die Kleinen zur Beute. In meiner unmittelbaren Nachbarschaft wurde eine Frau mit ihrem Hund in den Armen von einem Schäferhund attackiert und schwer verletzt. Nicht nur körperlich.
Bei Begegnungen mit Artgenossen zeigen viele Hunde Anzeichen von Angst. Sie machen sich klein, die Rute wird eingeklemmt. Das ist ein normales deeskalierendes Verhalten, so kommunizieren sie den anderen, daß sie bereit sind sich zu unterordnen. Es dient dazu, in das Rudel oder von dem einzelnen angenommen zu werden. Geben wir den Hunden etwas Zeit, tauen sie auf, die Körpersprache verändert sich, sie finden ihre Selbstsicherheit wieder und los geht’s. Nach wenigen Sekunden laufen die Hunde zusammen. Es ist wichtig, den Hunden die Gelegenheit zu geben, die Begegnung auf ihre Art und Weise, in ihrem Tempo durchzuspielen. Einfach gesagt, da müssen die Fellnasen durch. So lernen sie, daß Begegnungen mit Artgenossen entspannt ablaufen können, die soziale Kompetenz wird geschult. Die Hunde und ihre Halter bekommen immer mehr Routine, werden immer entspannter.
Es gibt Hundehalter, die ihrem Hund vor der Angst beschützen wollen. Sie geben ihrem Hund keine Möglichkeit, die seit Jahrtausenden etablierte Vorgehensweise zu Ende durchzuspielen, „retten“ ihn lieber aus der Situation. „Wenn er nicht will, dann will er nicht“.
Es ist wichtig zu verstehen, wie wichtig der Moment ist, in dem wir mit unserem Hund eine Hundebegegnung oder andere Situation verlassen. Ein Hund speichert eine Situation so ab, wie er sie beendet. Ist er ruhig und ausgeglichen, speichert er die Situation positiv ab. Ist er unruhig, unsicher, gestresst oder gar ängstlich, verknüpft er die Situation mit seinem Zustand und speichert sie negativ ab. Oft ist genau das der Fall. Ein Hundehalter bricht eine Hundebegegnung zu früh ab, gibt seinem Hund nicht die Gelegenheit die Situation zu verarbeiten, führt den protestierenden Hund wie ein ungehorsames Kind einfach weg. Eher früher als später fängt er bei der nächsten Begegnung genau an diesem Punkt wieder an – mit einem aufgeregten, protestierenden Hund. Das Verhalten wird dann fälschlicher Weise als aggressiv verkannt, die Kettenreaktion nimmt ihren Lauf.
Ein großer Fehler ist es, einen aufgeregten Hund aus einer Situation wegzuführen. Hunde lernen sehr schnell. Es braucht nicht viel, um eine Verknüpfung herzustellen. Ist einmal eine Situation als gefährlich oder unangenehm abgespeichert, wird auf sie dementsprechend reagiert. Mit Angst, Unsicherheit oder eben aggressiv.

Antiautoritär

Das, was schon bei Menschen erwiesener Maßen nicht funktioniert (man schaue sich nur um), wollen wir nun unbedingt auch unseren Hunden antun. Eine Bitte an alle Hundehalter: schenken Sie Ihrem Hund die Führung.
Ein Hund ohne Führung ist verloren und wird mit den Situationen des Alltags nur schwer fertig. Auch hier gibt es Ausnahmen, es gibt Tiere, die autonom sind, die Verantwortung übernehmen und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Problematisch wird es, wenn ein Mensch oder eine ganze Familie von so einem Hund angeführt wird, der keine Kompromisse kennt und macht. In einer Familie durfte das Herrchen nicht einmal vom Sessel aufstehen, als er schlafen gehen wollte.
Hier ein Bild zur Veranschaulichung:
Die Verkehrsampel: die Ampel steht auf rot, wir erklären unserem Kind nicht, was es mit der roten Ampel auf sich hat, das Kind soll es selber herausfinden.
Die meisten Hunde erwarten von uns Menschen eine Führung und Informationen, die sie brauchen, um sich im Leben und in der Welt gut orientieren zu können. Wenn wir ihnen die Führung nicht geben und/oder die Informationen verweigern, werden wir unseren Hunden nicht gerecht.
Es gibt viele unterschiedliche Charaktere unter den Hunden. Die meisten sind für eine Führungsrolle nicht geboren, wollen keine eigenen Entscheidungen treffen. Wenn wir sie dazu verleiten, daß sie keine andere Möglichkeit sehen als die Situationen des Alltags für das Rudel zu händeln, bedeutet es für die Hunde Streß pur.

Aufgabe

Ein Beispiel, wie sich mir eine Aufgabe darstellt:
beim Quinn, einem „meiner“ Hunde, einem jungen Schäferhund mit hohem Energielevel gab ich die Empfehlung, ihn im Alltag mit kleinen Aufgaben zu konfrontieren und zu fordern. Die Antwort war: „Ja, das machen wir. Ich werfe ihm bei den Spaziergängen ein Frisbee, damit er es jagen und sich auspowern kann“. Meine Antwort war: „Das ist weniger eine Aufgabe, das ist vielmehr ein Spiel, das zum Ausschütten von Adrenalin führt, was wir in unserem Fall überhaupt nicht gebrauchen können, da der Hund auch so schon ein sehr hohes Energieniveau hat und kaum zur Ruhe kommt.
Mit Aufgaben meine ich z. B. einfache Grundgehorsam-Übungen wie Rückrufsignal oder Impulskontrolle. Während des Spaziergangs den Hund zu sich rufen, wenn er kommt, loben und sofort wieder frei geben. Oder den Hund absitzen und warten lassen, während für ihn z. B. ein Stück Trockenfutter versteckt wird, das er sich dann erschnüffeln und verdienen darf. Das sind Aufgaben, Frisbee Werfen eher weniger.
Quinn gehört zu den Hunden, die, jedes Mal, wenn sie zu mir kommen, mehrere Tage brauchen, um von dem zappeligen, nervösen Verhalten wieder weg zu kommen.

Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeit unseres Hundes zu bekommen ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches gemeinsames Leben.
Wenn wir von unserem Hund nicht die erforderliche Aufmerksamkeit bekommen, kann es verschiedene Ursachen haben: fehlende Bindung, der Hund sieht seinen Menschen als rangniedriger an, oder wir haben einen jungen Hund, der seine Grenzen austesten und die Welt entdecken will.
Vertrauen und Urvertrauen sind zwei verschiedene Begriffe, zwischen denen es klar zu unterscheiden gilt. Ein Hund kann mir vertrauen, das Urvertrauen kann trotzdem fehlen. Wenn wir unseren Hunden das Urvertrauen nicht vermitteln können, werden sie in kritischen Situationen keinen Kontakt zu uns suchen, sondern für das eigene Überleben sorgen und angreifen oder flüchten. Oder für das Überleben des Rudels sorgen und von uns erwarten, daß wir ihnen gehorchen und folgen.
Wir wissen, daß sich die einzelnen Verhaltenskreise ihrer Hierarchie nach gegenseitig ausschalten (Hunde können kein Multitasking). Es ist also klar, daß ein Hund, der sich einem in seinen Augen gefährlichen Reiz ausgesetzt sieht, der Angst um sich und sein Rudel hat, gar nicht die Möglichkeit hat, uns seine Aufmerksamkeit zu geben. Ganz im Gegenteil. In einer Situation, die der Hund als gefährlich oder potentiell gefährlich empfindet zu versuchen, dem Hund zu sagen, wie er sich verhalten soll, kann es dazu kommen, daß er uns wird korrigieren wollen und schnappt. Es sei denn, er hat unsere Rolle als Rudelführer bereits erkannt und akzeptiert.

Belohnung

Die größte Belohnung für einen Hund ist die Zuneigung seines Menschen.
Viele Hundehalter und nicht nur Hundehalter denken, daß sie sich die Liebe eines Hundes erkaufen müssen. Ich glaube nicht, daß es in der freien Wildbahn nur einen einzigen Rudelführer gibt, der seine Rudelmitglieder bestechen will. Es gibt keine Leckerlis oder ähnliches. Hunde oder Wölfe absolvieren in der freien Wildbahn auch keine Trainingsrunden mit positiver Verstärkung.
Am liebsten belohne ich meine Hunde mit Berührungen, positiver Körpersprache und Mimik. Gerne kraule ich sie, meistens an der Schulter. Das gibt einen direkten Kontakt zwischen Tier und Mensch und stärkt die Bindung. Im Freilauf, während unserer Spaziergänge, biete ich den Hunden, die zu mir kommen, um Kontakt mit mir zu suchen eine offene Handfläche an, damit sie sie mit ihrer Schnauze berühren können. Mehr mache ich nicht. In meinen Augen ist für meine Hunde die größte Belohnung, wenn ich sie einfach nur Hunde sein lasse. Das ist nur dann möglich, wenn sie mir vollkommen vertrauen und wissen, daß sie sich auf mich in jeder Situation verlassen können.
Das ist meine Art, mit Hunden zu kommunizieren. Wie gesagt, die Bezeichnung Hundetrainer trifft auf mich nicht zu, mir geht es nicht um Training, sondern um Kommunikation, um zufriedene und entspannte Hunde.
Im Training setzt man auf positive Verstärkung, überwiegend werden hier Leckerlis eingesetzt.
Auf meine Frage, ob den Hundehaltern in den Trainingsstunden erklärt wird, daß der Einsatz von Leckerlis nach und nach abgebaut werden soll, antwortete noch keiner von ihnen mit "Ja".

Bindung

Das wichtigste überhaupt. Ohne eine richtige Bindung zu unseren Hunden sind die Probleme vorprogrammiert. Ohne Bindung läuft das Trainieren ins Leere. Kleine oder auch größere Fortschritte können verzeichnet werden, die Probleme im Alltag bleiben bestehen.
Das fällt immer wieder auf. Viele Hundeschulen und Hundetrainer setzen bei Verhaltensproblemen Training ein und wollen so eine Lösung für ein Problemverhalten herbeiführen. Langsam schleicht sich bei mir der Verdacht ein, daß die meisten gar nicht wissen, daß Training und Kommunikation zwei völlig verschiedene Ansätze sind. Ein Problemverhalten ist kein Problem, sondern ein Symptom.
Wenn wir mit einem Hund leben, der unerwünschtes Verhalten zeigt, liegt es oft an der mangelnden Führung. Die Bindung, das absolute Vertrauen sind noch nicht vorhanden. Bei einem Hund, der zu mir noch keine Bindung aufbauen konnte, wird Training, wenn überhaupt, sehr wenig bewirken. Ein Hund, der mir und meiner Führung nicht vertraut, wird sich von mir nur schwer trainieren lassen. Wenn ein Mensch seinen Hund in einer Streßsituation korrigieren will und der Hund nach seinem Menschen schnappt, ist es ein klares Indiz dafür, wie die Hierarchie im Rudel (also in der Familie) für den Hund aussieht.

Bücher

Vor kurzem bestellte ich ein Buch: Das Handbuch für Hundetrainer. Dieses Buch wird von den verantwortlichen Behörden ungeniert zur Vorbereitung für die praktische Prüfung als Hundetrainer empfohlen.
Ziemlich am Anfang steht dort, daß für Hundetrainer ein adrettes Aussehen wichtig ist. Das war für mich die endgültige Bestätigung, daß ich nie ein Hundetrainer werden kann.
Dieses Fachbuch für Experten, geschrieben von noch größeren Experten glänzt durch eine unerschütterliche Zielsicherheit, die einzelnen Verhaltensweisen unserer Hunde falsch zu interpretieren, sie in einen falschen Zusammenhang zu bringen. Beispiel Beißhemmung: "Die meisten Hunde lernen die Beißhemmung auf diese Art und Weise sehr gut: Sobald ein Hundezahn die Haut berührt, ruft der Mensch "Aua" und bricht das Siel ab. Manch ein Welpe ist jedoch hartnäckiger und spielt heftiger. Dreht man sich bei diesen Welpen einfach herum, um das Spiel abzubrechen, beißen sie einem in die Kniekehlen oder springen hoch und schnappen in alles, was sie erwischen können. Man kommt praktisch nicht darum herum, in irgendeiner form auf den Welpen zu reagieren. Wenn also eine Reaktion unvermeidbar ist, ist es am besten, wenn man einfach den Raum verlässt und den Welpen kurz alleine lässt.
(Celina del Amo|Dr. Viviane Theby, 2021, Ulmer Verlag, 4., aktualisierte Auflage, S. 144).
Es ist davon auszugehen, daß ein Hund hier vor allem eines gut lernt, nämlich wie er seinen Menschen loswerden, ihn verjagen kann, wenn dieser ihn stört. Die Autorinnen picken sich hier mit einer bewundernswerten Selbstüberzeugung die Reaktion eines Welpen heraus. Jeder kann sich selbst die Frage stellen und beantworten, ob z. B. das Muttertier, wenn es zu stark gezwickt wird, "Aua" bellt und den Raum verlässt? Es ist dringend zu empfehlen, das Verhalten eines erwachsenen Tieres zu imitieren und nicht das Verhalten eines Welpen.
Durch die von den Expertinnen empfohlene Reaktion macht sich der Mensch zum rangniedrigeren Rudelmitglied, der jederzeit korrigiert oder von den wichtigen Ressourcen verjagt werden kann.
Interessant ist, daß die Autorinnen sich nur eine Sequenz aus dem natürlichen Hundeverhalten aussuchen, die sie auch noch in einen völlig falsch auslegen. Andere natürliche Verhaltensweisen unserer besten Freunde werden ignoriert als gäbe es sie überhaupt nicht: Setzen von klaren Grenzen, Kommunizieren durch die Raumbeanspruchung und Präsenz, Abwenden im richtigen Moment.

Demokratie

Im Neuen Testament wird die Geschichte von Barabbas erzählt. Der Verbrecher wird vom laut schreienden Volk demokratisch gewählt und freigesprochen, die Wahrheit und die Liebe enden am Kreuze. Böse, wer Böses denkt.

Die Voraussetzungen für eine wirkliche, gut gehende Demokratie:
• Niemand lügt, vor allem nicht die „Verantwortlichen“
• Es gibt keine niedrigen Triebe wie Gier nach Macht, Geld und Anerkennung
• Der Mensch lässt sich nicht manipulieren, sondern bildet sich seine Meinung selbst.
• Es gibt keine Gruppendynamik, die Masse ist und verhält sich intelligent.
Wenn wir alle 4 Punkte mit "JA, STIMMT" beantworten können, leben wir in einer echten Demokratie.
In Umgang mit Hunden funktioniert keine Demokratie und keine Gleichberechtigung, hier gilt das gleiche Prinzip wie bei der antiautoritären Erziehung.
Wenn wir versuchen, in den wichtigen Fragen den Hunden die Entscheidung zu überlassen, wird es in vielen Fällen zu Problemen führen. In den kleinen Entscheidungen (welche Richtung schlagen wir bei einem Spaziergang ein, wann bleiben wir stehen) lasse ich einige meiner erwachsenen Hunde gerne selbst entscheiden. So steigern wir ihr Selbstbewusstsein.

Distanz

Jeder Mensch, jeder Hund hat seine individuelle Distanz. Bei Hundebegegnungen, die viel Streß verursachen, können wir sehr gut mit Distanz arbeiten. Ist es unserem Hund nicht möglich, eine Hundebegegnung ruhig zu bewältigen, vergrößern wir die Distanz zu seinem Gegenüber indem wir rückwärts (bitte nicht umdrehen!) gehen und unseren Hund mit kurzen Impulsen an der Leine zu uns lotsen, bis er von sich aus einen kleinen Bogen macht und an unserer Seite zum Stehen kommt, dann beobachten wir zusammen mit unserem Hund in aller Ruhe die Situation. Ein Körperkontakt vermittelt unserem Hund mehr Sicherheit, wichtig ist, daß wir selbst absolut ruhig sind, damit wir unserem Hund die richtige Energie übermitteln können. Ist unser Hund ruhig, gehen wir wieder auf den Reiz zu. Sie werden sehr schnell merken, welche Distanz Ihr Hund noch gut vertragen kann.
Es heißt also, die Distanz vergrößern, den Hund zur Ruhe bringen, ihn beobachten lassen und wieder auf den Reiz, den anderen Hund zugehen. So merkt ihr Hund mit der Zeit, daß andere Hunde keine Gefahr für ihn und Sie sind und daß er an der Seite seines Menschen jede Situation gut meistern kann.
Auch hier macht die Übung den Meister. Wir zeigen dem Hund immer wieder, wie er mit einer für ihn kritischen Situation umgehen soll, nämlich ruhig und entspannt. Wichtig ist, den Hund erst dann rauszunehmen, wenn er die Situation zu Ende verarbeiten konnte und seine Ruhe wieder gefunden hat. Der Hund speichert den Zustand ab, in dem er aus einer Situation, einer Begegnung weggeführt wird und verknüpft seinen (End)Zustand, seine Haltung mit dem jeweiligen Erlebnis - also entweder mit Ruhe oder mit Streß.

Dominanz

„Das Adjektiv gibt es im deutschen Sprachgebrauch etwa seit dem 18. Jahrhundert. Es ist dem lateinischen dominārī (herrschen) entlehnt und wurde zuerst als musikalischer Begriff seit dem 17. Jahrhundert verwendet, um den fünften Ton einer Tonleiter zu benennen. Dominant bedeutet grundsätzlich vorherrschend, bestimmend, maßgebend, entscheidend. Allerdings kann das Wort auch negativ konnotiert sein, vor allen Dingen in der Psychologie. Dann bedeutet es arrogant, großtuerisch, überheblich, anmaßend“. (Focus.de, 21. 04. 2021)
Bemerkung: „In der Psychologie“ – hier ist wohl (oder ganz eindeutig) die menschliche Psychologie gemeint.

Ein Thema, zu dem viel gesagt und geschrieben wurde und wird und die Meinungen könnten kaum unterschiedlicher sein.
Dominanz ist in der Tierwelt lebensnotwendig und etwas völlig normales. Unser menschliches Denken gibt diesem Wort einen unangenehmen Beigeschmack, was wohl mit unserer Erziehung zu tun hat.
Tatsache ist, dass Hunde oft sogar dominiert werden wollen. Das konnte ich einige Male schon beobachten. Ein ranghöheres Tier putzt ein rangniedrigeres ziemlich herunter, das rangniedrigere kommt dann immer wieder zu dem ranghöheren und bettelt regelrecht um die nächste Lektion.
Die Rolle des Rudelführers ist in meiner Hundebetreuung vergeben. Über die Strukturen und Verhältnisse bei uns kann ich sagen, daß Hunde, die zu Hause keine eindeutige Hierarchie genießen dürfen, oft erst bei mir zur Ruhe kommen. Der Rudelführer wird angehimmelt, so ist es nun mal bei unseren Fellnasen. Klare Verhältnisse helfen ihnen, sich zu entspannen.
Sogar unser Gino, ein autonomer Leithund, der sich noch nie unterworfen hat, weder einem Hund noch einem Menschen, erwartet von mir, dass ich mich bei Bedarf um die Belange im Rudel kümmere und in den Streßsituationen für Ruhe sorge.
Im Gegensatz dazu steht die Aussage: „Trainieren statt Dominieren“. Diese Aussage kommt nicht von irgendwem, sondern von einer offiziellen Stelle, einer hochdekorierten Hundetrainerin.
Last but not least: Dominanz ist keine Eigenschaft, sondern eine Beziehung. Ich frage mich dann immer, wie man ein dominantes Tier wohl anders bezeichnen könnte?
Unsere Hunde brauchen zu ihrem Glück unter anderem die Gewissheit, dass sie sich auf ihre Menschen verlassen können. Wenn wir ihnen statt Führung über verschiedene Kleinigkeiten unsere Schwäche signalisieren, ist es aus mit dem entspannten Dasein. Der Job als Rudelführer ist nun mal nicht einfach und die meisten unserer Hunde werden durch die Übernahme der freien Stelle schlichtweg überfordert.

Emotionen

Wo man nur hinschaut, überall werden sie uns angeboten und verkauft - die Emotionen. Weinende Supersportler, die bei ihren Siegen oder Niederlagen (ganz egal) „die ganze Skala der Emotionen durchleben“. In den vielen Fernsehsendungen, wo die Jury der eigentliche Star ist werden die angeworbenen Protagonisten bis aufs kleinste auseinandergenommen. Es werden Glücksmomente und Enttäuschungen in Großaufnahme und Zeitlupe gezeigt. Kaum jemand denkt die gezeigte Situation zu Ende, wie in einem Märchen: wenn sie nicht gestorben sind, leben sie glücklich bis heute.
Ähnlich ist es bei einigen Sendungen über Hunde, Show geht vor Sachlichkeit.
Das alles kann den Eindruck vermitteln, daß Emotionen wichtig und richtig sind. Emotionen alleine reichen aber nicht, sie müssen auch noch zur Schau gestellt werden. Im Umgang mit Hunden eines der Grundprobleme.
Hunde wissen nicht, was menschliche Emotionen sind. Trauer, Frust, Mitleid, Selbstmitleid, übertriebene Liebe und Fürsorglichkeit, das alles nehmen unsere Hunde als schwache Energie wahr. Ihren geliebten Menschen, der sich in ihren Augen schwach zeigt, wollen die Hunde dann beschützen.

Energie

Energie ist alles.

Schauen wir uns die zwei für uns relevanten Arten der Energie an:
Es gibt eine stabile, starke Energie und es gibt eine labile, schwache Energie. Die Welt der Hunde ist in diesem Bezug schwarzweiß.
Unsere Hunde wissen nicht, was Mitleid, Frustration, Selbstmitleid, Nervosität, Selbstzweifel, Alltagssorgen o. ä. sind, sie spüren aber die Energie. Ob von Hund oder Mensch, starke, stabile Energie tut gut, labile, schwache Energie dagegen kann unter Umständen sogar angegriffen werden.
Folgendes passiert mir immer wieder: ein Klient kommt mit seinem Hund zu mir. Der Hund führt sich auf, kann sich nicht beruhigen, springt in die Leine, hier und her, wie ein Jojo. Um die Situation zu entschärfen, übernehme ich den Hund, innerhalb von kurzer Zeit haben wir ein Lämmchen an der Leine. Gut, die Situation ist also beruhigt, nun kann der Hundehalter seinen Hund wieder übernehmen. In dem Moment wo wir die Leine tauschen dauert es keine 5 Sekunden, der Hund führt sich wieder auf und wir haben wieder ein Jojo.
Es kann für den Hundehalter frustrierend sein, so etwas immer wieder zu erleben. Gut, was sagt es uns? Irgendetwas wird bei jedem von uns anders sein. Es gibt einen Unterschied darin, was wir beide ausstrahlen, wie uns der Hund wahrnimmt. Versuchen wir es mit folgender Erklärung: ich denke nicht darüber nach, was und wie ich es machen soll, der Hundehalter ist in seinen Gedanken und Sorgen befangen. Einmal habe ich zu jemand gesagt: „sei primitiv, so wie ich“. „Bist du ja gar nicht“, kam es zurück.
Bei den Tieren, somit auch bei unseren Hunden ist der Weg zwischen Impuls und Aktion direkt, unkompliziert, alles geschieht hier sehr schnell, ohne „Verfälschung“. Der Mensch der heutigen Zeit dagegen hat einiges zu verarbeiten, bevor er sich zu einer Entscheidung für eine Aktion durchdringt. Das kulturelle Erbe, die Erziehung. So wie bei Hamlet – sein oder nicht sein? Tun oder nicht tun? Und wenn tun, wie? Ist es politisch korrekt, was ich hier mache? Darf ich denn überhaupt? Das Ergebnis ist eine zögerliche Haltung ohne Präsenz.
Bei dem Hund kommt ein Wirrwarr an widersprüchlichen Informationen an, das er nicht entwirren kann und dementsprechend reagiert er - mit Protest. Er springt rum, führt sich auf, gehorcht nicht. Dieser Energie kann er auch gar nicht gehorchen. Als reines Instinktivwesen hat der Hund keine Chance, bei einem solchen Gefühlschaos gelassen zu bleiben.
Im Grunde ist alles absolut einfach und unkompliziert und für meine Begriffe könnte man die ganze Thematik, wie wir mit schwierigen Hunden oder Hunden mit Verhaltensauffälligkeiten umgehen sollen mit wenigen Sätzen umschreiben.

Die Zutaten sind:

• Innere Ruhe – in der Ruhe liegt die Kraft, sagt man. Drehen wir diesen Satz um, kommt dabei raus: Kraft liegt in der Ruhe.
• Natürliche Präsenz – dito
• Stille – wichtig! Bitte nicht reden, Kommandos schon mal gar nicht. Wir erinnern uns: kein Training sonder Kommunikation.
• Respekt – noch einmal. Gemeint Respekt dem Hund und der Situation gegenüber.
• Betont langsame Bewegungen, vor allem bei nervösen und/oder unruhigen Hunden
• Unumstößlicher Optimismus, Überzeugung – früher oder später zeigt meine Haltung Wirkung
• Die Fähigkeit, vom bestimmten, harten Auftreten auf weiche Ausstrahlung innerhalb von Sekundenbruchteilen umzuschalten
• Nicht nachtragend sein

Oft beschreiben die Hundehalter die Situationen, die sie mit ihren Lieblingen erlebt haben bis ins kleinste Detail. Andere wiederum erzählen, wie schwer es ist, mit dem Hund zurecht zu kommen, was sie für ihn schon alles gemacht, auf sich genommen haben, was der Hund sie schon gekostet hat usw. Ob so oder so, alle haben etwas gemeinsam – offensichtlich sind sie enttäuscht, verunsichert, frustriert. Mein Rat in solchen Situationen ist: gehen Sie da raus aus diesem Empfinden, aus diesem Denken. Wenn Sie mit Ihrem Hund unterwegs oder einfach nur im Kontakt sind, schieben Sie Ihre Sorgen und Frustration beiseite. Machen Sie es wie die Hunde, seien Sie im Hier und Jetzt. Es gibt nur noch Sie und Ihren Hund für diesen Moment, nichts anderes.
Klingt vielleicht hart, ist es aber nicht. Es ist die Lösung, oder zumindest ein wichtiger Teil davon. Wenn die Hundehalter über die Erlebnisse und ihre Gedanken reden, haben sie leider keine Zeit, den Hunden zuzuschauen, bei ihnen zu sein. Dabei können wir von unseren Fellnasen so viel lernen: die pure Lebensfreude, die Reinheit und Echtheit, wie sie untereinander kommunizieren und miteinander umgehen. Mitten im Satz unterbrochen durch die Frage: „haben Sie das jetzt gesehen? Ist das nicht schön?“ kommt dann zurück: „ne, was denn?“.

Fragen

Wo bin ich? Bin ich bei mir, in meiner Mitte?
Wie fühle ich mich?
Was strahle ich aus, wie wirke ich auf meine Hunde? Was kommt bei ihnen an?

Versteht, ein Hund, was wir von ihm wollen in diesem Augenblick wollen?
Muss der Hund verstehen, was wir von ihm wollen?
Ist es einem Hund möglich, unsere menschliche Art zu kommunizieren zu verstehen?
Wer kann/sollte an seiner Kommunikation etwas ändern? Mensch oder Hund?


Geschichten

Gino

Gino, unser Golden Retriever ist der König, oder wenn nicht direkt der König, auf jeden Fall ein Aristokrat unter den Hunden. Seine Gabe, andere Hunde lesen zu können und ihnen genau das zu geben, was sie brauchen, ist einmalig und ich habe so etwas bis jetzt nur einmal bei einem Hund im Fernsehen gesehen, beim Teddy von Cesar Milan. Gino unterwirft sich nicht, will aber auch niemanden unterwerfen, man könnte meinen, daß er sich außerhalb der Hierarchie des Rudels bewegt.
Als ihn die Jiri geholt hat, war er der letzte des Wurfes, der noch da war. Seine Geschwister waren offensichtlich lebhafter und sind auf die Menschen zugegangen, also waren sie schnell weg. Was für ein Glück für uns alle! Ein kleines, weißes Bündelchen tapste seiner Mutter hinterher, das war das erste Bild von Gino. Auf der Heimfahrt, von seiner Mutter getrennt, war er ganz ruhig, gab keinen Laut von sich. Zu Hause angekommen machte er sich selbstbewußt mit den neuen Gerüchen bekannt, es begann ein neuer Lebensabschnitt für uns alle. Als Gino noch sehr klein war, entdeckte er auf seinen Erkundungsreisen den Futtersack und irgendwie gelang es ihm reinzufallen. Als ihn Jiri gefunden und rausgeholt hat, war er breiter als länger. Golden Retriever gelten als verfressen, sie gelten auch als sehr aktiv und sportlich. Wir wissen nicht, ob es das Erlebnis mit dem Futtersack war, Gino frisst wenig, ist ziemlich wählerisch, von sportlich kann bei ihm auch keine Rede sein, aktiv ist er auf seine eigene Art.
Mit vielen falschen Vorstellungen ausgestattet ging es los. Gino benahm sich überhaupt nicht wie seine gleichaltrigen Artgenossen. Die Fragen häuften sich: Ist er normal? Ist er nicht krank? Ist er glücklich? Während andere tobten und herumtollten, blieb Gino lieber für sich und schnüffelte herum. Das Apportieren interessierte ihn nie. Bei den wenigen Versuchen, ihn für diese ihm angezüchtete Tätigkeit zu begeistern machte er paar Mal mit, dann hörte er immer gleich wieder auf. So unter dem Motto: „du siehst doch, daß ich es kann, was willst du noch?“. Viele Hundehalter mit langjähriger Erfahrung gaben Tipps und Ratschläge, die bei Gino nichts brachten. Ein Hundetrainer meinte: „einen Hund muß man zuerst brechen, bevor man ihn erziehen kann“.
Es ist ein riesiges Glück für Gino, daß sein Frauchen empathisch ist und sich von den Vorstellungen Anderer und der eigenen nicht beeinflussen lässt. Wenn die Wirklichkeit den Vorstellungen nicht entspricht, werden die Vorstellungen revidiert und der Wirklichkeit angepasst, nicht andersrum. Wäre Gino bei einem Halter gelandet, der ihn mit Training dazu zwingen wollte das zu machen, was von einem Golden Retriever erwartet wird, wäre das eine Katastrophe vor allem für Gino, dieser wunderbare Hund wäre daran früher oder später zerbrochen. Die Jiri beobachtete ihren Hund, zog ihre eigenen Schlüsse, es wurden andere Quellen zu Rate gezogen, von Menschen, die die Hundethematik von einem anderen Ende aufrollen, andere Philosophie vertreten als das gängige Mainstream.
Gino ist ein seltenes Exemplar eines introvertierten, autonomen Leithundes. Er trifft seine Entscheidungen selbst, dafür braucht er mehr Zeit, wodurch er schüchtern oder ängstlich wirken kann. Eine Hundetrainerin fällte sehr schnell das Urteil, daß er nicht zum Züchten geeignet wäre. Mit seiner ruhigen Präsenz strahlt Gino eine Macht des Friedens aus, der sich nur wenige seiner Artgenossen entziehen können. Wenn wir auf ähnlich mächtige Hunde treffen, begrüßen sich die Tiere freundlich, bekunden sich gegenseitige Akzeptanz und Respekt und gehen dann wieder ihrer Wege. Hunde, die nicht in ihrer Mitte sind, die aufgeregt, aggressiv, wild oder ähnliches sind brauchen länger, um die Persönlichkeit von Gino zu erkennen. Auch Nero war so einer, er brauchte sogar sehr lange. Mittlerweile hat er den Leithund im Gino erkannt, bei den gemeinsamen Spaziergängen ist es eine Freude, den beiden zuzuschauen, wie der sanfte Golden Retriever in aller Ruhe den großen Schäferhund leitet. Beide genießen die gemeinsame Zeit und die Art der Beziehung tut ihnen beiden gut.
Die Bindung zwischen Gino und seinem Frauchen ist sehr stark, Jahre waren die beiden 24/7 unzertrennlich. Mehrere Versuche, Gino bei anderen Menschen für ein paar Stunden zu unterbringen, scheiterten. Er protestierte auf seine subtile Art, fand keine Ruhe, stand die ganze Zeit an der Tür und wartete. Es spielte offensichtlich keine Rolle, daß er die Menschen und die Hunde gut kannte, mit ihnen und seinem Frauchen oft unterwegs war. Dann haben wir es mit mir versucht. Ich holte ihn zu Hause ab, nach einiger Zeit sind wir zusammen aufgebrochen, ohne Frauchen. Der Weg von der Haustür zum Auto war vielleicht 50m lang, wir haben für diese 50m fast eine halbe Stunde gebraucht. Jiri schaute uns die ganze Zeit aus dem Fenster zu, es war ja auch spannend. Am Auto angekommen, sprang Gino rein und es ging zu mir. Zu Hause stand als erstes ein Spaziergang auf dem Programm. Draußen war Gino entspannt, schnüffelte viel, wälzte sich dann und wann auf dem Boden, wirkte rundum zufrieden. Das blieb er auch bei mir zu Hause.
Die Berichte – es waren mehrere – über unseren Spaziergang und die Zeit bei mir erfreuten sein Frauchen sehr. Haben die beiden nun tatsächlich jemanden gefunden, bei dem sich Gino auch ohne sein Frauchen wohlfühlte? Es sah so aus. Das war der Anfang meiner Reise als Hundebetreuer. Warum fühlte sich ein so sensibler Hund gut bei mir? Warum reagierte er auf mich dermaßen positiv? Könnte es sein, daß mir eine Portion Talent für den Umgang mit den Tieren zugeteilt wurde? Gino ist ein regelmäßiger Gast bei mir.
Vor einigen Jahren trank oder fraß er etwas böses, auf einmal ging es ihm überhaupt nicht gut. Der Tierarzt diagnostizierte eine Vergiftung, Gino musste ein paar Tage da bleiben. Es war für uns unverständlich, wo er sich die Vergiftung holen konnte. Golden Retriever gelten als gute Esser – nicht so unser Gino, er nimmt auch nichts vom Boden auf. Wahrscheinlich passierte es, als er in den Weinbergen aus einer Pfütze trank zu einer Zeit, als dort die Reben besprüht wurden.
Als das Schlimmste überstanden war, entzündete sich die Stelle an seiner Vorderpfote, wo die Infusion angebracht war. Die Schmerzen waren so groß, daß er nicht einmal die Treppe hochkam. Gino gibt normalerweise keinen Laut von sich. Zu der Zeit jaulte er immer wieder auf, wenn er die Pfote belasten wollte. Es wurde richtig schlimm. Sein Frauchen litt mit ihm. Es war der Jiri unmöglich, ihren Hund so leiden zu sehen. Die Emotionen traten in den Vordergrund, taten den beiden überhaupt nicht gut, wegen der labilen Energie ging Gino auf Abstand. „Gino kann doch zu mir kommen für ein paar Tage“, schlug ich mehrmals vor. Erst nach einiger Zeit stimmte Jiri zu. Wenn der Mensch ein Spielball seiner eigenen Emotionen ist, sollte er Abstand zu seinem Hund halten. Aber ich liebe dich doch, ich will dir nur Gutes, ich will dich retten. Das alles kann stimmen, aber worauf es ankommt ist die Energie, das was ein Mensch ausstrahlt. Das haben wir damals gelernt. Hunde brauchen gerade in den schweren Momenten unsere starke, stabile Energie.
So zog Gino bei mir ein. Ich behandelte ihn wie immer, wir gingen raus, hatten eine gute Zeit. Die Schmerzen in seiner Pfote waren so groß, daß er die Treppen nicht laufen konnte, also wurde er von mir rauf und runter getragen. Sein Frauchen bekam mehrmals am Tag Nachrichten, Bilder und Videos. Nach einigen Tagen begleitete sie uns immer wieder bei den Spaziergängen, was ihr Anfangs nicht möglich war. So ging es einige Wochen, nach und nach wurde es besser, wir bekamen unseren alten Gino wieder zurück. Damals verknüpfte er die Treppen mit Schmerzen und mit Humpeln. Zuerst ging er immer mit der linken Pfote hoch, die rechte zog er nach, dann wieder die linke vor, die rechte nachgezogen. Es dauerte lange, bis diese Verknüpfung wieder verschwand, heute läuft er als wäre nie was gewesen.
Wir haben unsere ganz persönlichen Rituale. Wenn Gino zu mir kommt oder auch wenn wir uns draußen begegnen und er gut drauf ist, bohrt er seinen Kopf in den Boden, streckt seine Hinterpfoten, sein Hinterteil zeigt gen Himmel. Dann darf ich ihn knudeln und kraulen, davon bekommt er nicht genug. Wenn ich zu früh abbreche, läuft er ein paar Schritte und vorführt seinen Kopfstand wieder – eine Einladung an mich, weiter zu machen. Bei den Spaziergängen bleibt er manchmal stehen, bzw. sitzen und geht nicht weiter. Wir haben einiges versucht, nichts hat so gut geholfen, wie die Massage unter den Achseln seiner Vorderpfoten. Das genießt er sehr und lässt sich danach auch wieder zum Weiterlaufen animieren. So was kann man nur dann machen, wenn zwischen Hund und Mensch die Beziehung geklärt und absolut harmonisch ist. Ein Verwöhnen dieser Art kann ein weniger standhafter Hund leicht missverstehen.
Gino eroberte die Herzen von vielen Menschen. Ein guter Nachbar lud ihn immer ein in seine Wohnung und gab ihm extra für ihn gekaufte Leckerlis. „Wo ist Gino?“, fragte Jiri. „In seiner Konditorei“, war meine Antwort.
Gino reagiert sensibel auf Veränderungen. Wenn er bei einem Spaziergang etwas entdeckt, was noch nicht da war, bellt er es an. Das kann eine Mülltonne sein, ein Schneemann oder etwas anders, was seiner Meinung nach nicht hingehört. „Ordnungsamt“, sage ich dann zu ihm. Damit kann er schon mal das gesamte Rudel kirre machen, die anderen Hunde wissen nicht, was er anbellt, da sie nichts Bellwürdiges entdecken können. Einmal sah er weit in den Weinbergen einen sich bewegenden Traktor und meldete es, indem er in die Richtung bellte. Ein anderer Hund bellte mit, in alle Himmelsrichtungen, weil er nicht wusste, was Gino da sieht.
Zwei Erlebnisse unterstreichen seine Einzigartigkeit. Normalerweise denken Hunde nicht in komplexeren Zusammenhängen (siehe auch unter Methode). Jiri war mit einer Bekannten und ihrem Hund Wino (Name verändert) unterwegs. Wino liebt Gino und will immer in seiner Nähe sein, wenn die beiden sich treffen. Der Spaziergang verlief ganz normal, die beiden Frauen verabschiedeten sich und gingen jede in eine andere Richtung. Doch nicht so die Hunde. Wino folgte Gino und ist immer weiter weg von seinem vergeblich rufenden Frauchen. Als die Jiri merkte, daß Wino keine Anstallten macht, zu seiner Halterin zurück zu gehen, blieb sie kurz stehen und überlegte. Den Weg zurück wollte sie nicht unbedingt noch mal laufen, also stand sie etwas unentschlossen da. Gino beobachtete kurz die Situation, dann drehte er um, nahm Wino mit und brachte ihn zu seinem Frauchen zurück, dann lief wieder zur Jiri. Ein anderes Mal waren Gino und sein Frauchen mit einer anderen Bekannten und ihrem Hund Yellow (Name verändert) unterwegs. Yellow wurde als Welpe von seinem damaligen Herrchen ins Wasser geschmissen, damit er lernt zu schwimme. Seitdem traut sich der Hund nicht ins tiefere Wasser. Wenn Wasser seinen Bauch berührt, bleibt er stehen und geht nicht weiter. Yellow apportiert um sein Leben gerne, sein Frauchen wirft ihm gerne einen Ball, wenn es geht auch ins flache Wasser. So war es auch an dem Tag, Yellow flitzte hier und her, sprang in das flache Wasser, holte sein Spielzeug raus, Gino lag ruhig, völlig unbeeindruckt da und beobachtete seinen Freund, die Blumen, die Vögel, die Bienen, alles was die Welt so zu bieten hat. Bei einem Wurf verschätzte sich das Frauchen von Yellow und warf den Ball etwas zu weit, ins tiefere Wasser. Yellow sprang rein. Als er spürte, daß der Boden unter seinen Pfoten verschwindet und er den Ball ohne zu schwimmen nicht erreichen kann, blieb er wie immer stehen und jammerte. Gino schaute sich das ganze eine Weile an, dann stand er auf, ging ins Wasser, holte den Ball, am Ufer schmiss er ihn dem wartenden Yellow vor die Pfoten, „hier hast du“ und ging wieder auf seinen Platz zurück, um seine Zähne an einem Kauknochen arbeiten zu lassen.
Gino spürt die Energie der Hunde und die Energie der Menschen. Vor einigen Jahren wurde eine junge Frau von einem Schäferhund schwer verletzt, seitdem kämpft sie mit ihren Ängsten, wenn sie fremde Hunde sieht. So was spürt unser Gino und fängt dann einen Gespräch auf seine Weise an: „Wuff, wuff, was ist los bei dir? Ich sehe, dir geht es nicht gut, du hast Angst. Aber du kannst dich entspannen, es ist alles gut“. Gino ist der friedlichste Hund, den man sich vorstellen kann. Seit der Zeit als er bei mir „zur Reha“ war, darf auch ich offiziell sagen, daß Gino mein Hund ist. Ich sage immer „unser Gino“.

Nero

Der altdeutsche Schäferhund Nero kam zu mir Anfang 2020. Nero ist eine ziemlich beeindruckende, mächtige Erscheinung. Er wiegt 45 kg, wirkt sehr massig und hat etwas von einem Bären. Seine Spitzohren sind geknickt, was ihn gleich auf den ersten Blick von anderen Schäferhunden unterscheidet, zum Glück kommt er nicht aus einer Überzucht und kann normal laufen. Er wurde beschlagnahmt und landete im Tierheim. Die monatelange Isolation führte zu Problemen oder verschlimmerte die vorhandenen noch. Nero war aggressiv und seine Situation hoffnungslos. Mit anderen Hunden konnte er nicht zusammen gebracht werden, eines Tages griff er in einer stressigen Situation einen der Mitarbeiter des Tierheims an, biss mehrmals zu und verletzte ihn ziemlich schwer. Daraufhin wurde die Entscheidung gefällt, daß es für ihn keine Hoffnung mehr gibt und er sollte eingeschläfert werden.
Aber erzählen wir Nero’s Geschichte von Anfang an.
Jackson, ein mittelgroßer Mischling wurde in Italien geboren. Die Straßen seiner Stadt waren sein zu Hause, er genoß sein Leben in vollen Zügen. Es gab immer was für den Magen und ein Plätzchen zum Ruhen und viel Zeit zum Spielen mit seinen Artgenossen. Eines Tages auf einem seiner Streifzüge tauchte plötzlich ein großes weißes Auto auf, ein großer Mann mit einer Stange stieg aus. Jackson wusste nicht, was das alles bedeuten soll, so was hat er noch nie gesehen. Irgendetwas gefiel ihm nicht, seine Instinkte waren auf höchste Vorsicht eingeschaltet. Misstrauisch beobachtete der den Fremden, er konnte ihn nicht einordnen. „Eine komische Stange ist es, was der Mensch da hat“, dachte sich Jackson. Dann ging alles sehr schnell, der große dunkle Mann bewegte die Stange, irgendetwas kam aus ihrem Ende herausgefahren und erschreckte Jackson, er wollte fliehen, aber es ging nicht. Seine Pfoten flogen und liefen, aber er bewegte sich nicht von der Stelle. Etwas hat sich um seinen Hals gelegt und hat ihn festgehalten. Der Hundegott sprach zu Jackson: „ich habe eine große Aufgabe für dich. Tut mir leid, daß du geängstigt wurdest, aber ohne dich geht es nicht, wir brauchen dich“.
Jackson wurde eingesammelt und nach Deutschland gebracht. Etwa 2 Jahre vor Nero landete er in dem gleichen Tierheim. Umgeben von Gittern, ohne Freilauf, der Schrecken der Gefangennahme steckte tief in ihm drin und egal, wie die Therapiesitzungen verliefen, seine Ängste konnte er nicht loswerden. Auf Menschen reagierte Jackson mit Misstrauen, er verweigerte jeglichen Kontakt und mit der Zeit wurde er als unvermittelbar eingestuft. Dann eines Tages kam eine gute Fee vorbei sah ihn und sagte zu ihm: „Wenn dich keiner haben will, nehme ich dich. Wenn du willst, kannst du zu mir kommen. Wie wäre es mit einem Leben ohne Gitter wo du wieder draußen herumrennen kannst?“. Jackson ging mit, seine Ängste immer noch im Gepäck. Besonders bei Männern ist er sehr skeptisch, ängstlich und greift an.
Eines Tages dachte sich die gute Fee, so geht es nicht weiter. Vielleicht gibt es jemanden, der ihm seine Ängste nehmen kann? Eine andere, befreundete Fee kannte jemanden, dem sie vertraute und so kam eines Tages zu Jackson nach Hause ein Mann. Auch ziemlich groß und dunkel, Jackson mochte ihn überhaupt nicht und das zeigte er auch sehr deutlich. Der Mann ließ sich aber nicht vertreiben, ein paar Tage später kam er wieder, was Jackson überhaupt nicht verstehen konnte. Einige Wochen danach stieg Jackson mit seinem Frauchen ins Auto und es ging auf eine Reise, die bis heute andauert. Als er aus dem Auto sprang, war dieser komische Mann schon wieder da. „Ist der denn überall?“, fragte sich Jackson. „Ich dachte, den bin ich los“. Es war eine große Überraschung für Jackson, als sein Frauchen auf den Mann zuging und ihm dann in seinen Unterschlupf folgte. Noch größer war seine Überraschung, als sein Frauchen ohne ihn, Jackson! wieder ging und ihn mit dem Mann alleine ließ. „Das mache ich nicht mit! Weg von mir! Laß mich in Ruhe!“.
Genau das geschah. Der Mann ließ Jackson komplett in Ruhe. Es gab regelmäßig Fressi, wie zu Hause, auch nach draußen ging es jeden Tag mehrmals, ansonsten gab es keine Anforderungen oder Annäherungsversuche, nichts. Nach ein paar Tagen wurde der Blick von Jackson etwas weicher, als er den Mann beobachtete. Er fing an, seine Nase in die Luft zu strecken, um den Duft des Mannes aufzunehmen und ihn zu dechiffrieren. „Hm, aus dem werde ich nicht schlau, vielleicht schaue ich ihn mir etwas näher an“. Es hat fast 2 Wochen gedauert bis Jackson anfing von sich aus zu mir zu kommen. Seine Scheu ist auch heute, fast 2 Jahre später immer noch vorhanden, aber es ist eine andere Qualität und auch das Annähern von uns beiden dauert nicht mehr so lange. Nach 3 Wochen kam das Frauchen zurück und nahm Jackson wieder nach Hause. Mittlerweile war er 4 oder 5x wieder bei mir. Bei dem zweiten Aufenthalt brauchten wir etwa 10 Tage, bei dem dritten eine Woche um Freundschaft zu schließen. Mittlerweile kann sich Jackson gleich am ersten Tag bei mir entspannen.
Die Geschichte von Jackson wurde auch in dem Tierheim erzählt. Die guten Seelen dort waren zwar überrascht, das hätten sie nicht erwartet, aber natürlich glücklich, daß eines der sogenannten Sorgenkinder sich so gut entwickelt.
Und dann kam der Nero. Nero wurde beschlagnahmt, landete im Tierheim, von Anfang an als schwieriger Fall eingestuft. Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Nach dem Angriff auf einen der Mitarbeiter, wurde seine Einschläferung beschlossen. Zum Glück hatte eine der guten Seelen die Idee, mich anzurufen. „Wenn der Mann es mit dem Jackson hinbekommen hatte… Rufen wir ihn doch an“.

„Letzte Chance für den Hund“, sagte sie zu mir. Ob ich ihn mir anschauen will. Selbstverständlich sagte ich zu. Im Tierheim angekommen wurde ich zu dem Zwinger von Nero geführt. Es gibt dort Schilder mit den Namen der Hunde und einer kurzen Beschreibung. Das sind die Hunde, die zu vermitteln sind. Dann gibt es dort rote Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht, gefährlicher Hund!“ Nicht einmal so weit hat es Nero geschafft, es gab keinen Schild an seinem Zwinger.
Ich erwartete einen wild bellenden, unkontrollierbaren Hund. Weit gefehlt. Nero lag ruhig da, schaute uns neugierig und etwas traurig mit seinen dunklen Augen an. Nero hat den Mitarbeiter des Tierheims freundlich begrüßt, als er zu ihm kam. Es wurde ihm eine Leine angelegt, durch das Gitter gereicht, damit der andere Mitarbeiter Nero kurz halten konnte, während der erste Nero ein Maulkorb anlegte. „Das machen wir immer so, damit niemand zu Schaden kommt“. Nach Monaten, in denen Nero den Zwinger nicht verlassen durfte ging es also raus. Und wie! Wir gingen an den anderen Hunden in den Zwingern vorbei, es war ein nicht enden wollendes Theater mit Bellen, Aufführen, Aggression. Draußen war Nero wie von der Tarantel gestochen. Als wollte er alle Reize und Dufte auf einmal in sich aufsaugen, die er in den letzten Monaten verpasst hatte. Was für eine Erleichterung muß es für ihn gewesen sein, wieder im Freien zu sein!
Optimistisch, wie ich bin, machte ich mit und ging überall hin, wo Nero hin ging. Er ignorierte mich weitestgehend (kein Wunder bei so vielen Wundern außen rum) er war im wahrsten Sinne des Wortes wie von einer Kette losgelassen.
Bei meinem zweiten Besuch ging ich direkt zum Nero in den Zwinger. Ich ging davon aus, daß nur die Mitarbeiter des Tierheims und nur zu zweit ihm den Maulkorb aufsetzen dürfen, also warteten wir und machten uns bekannt. Als dann einer der Betreuer zu uns kam, fragte ich, ob noch jemand dazu kommt und wer Nero den Maulkorb aufsetzen wird. „Also ich nicht“, kam die prompte Antwort. Es war der Betreuer, den Nero angegriffen und verletzt hat. „OK“, sagte ich, „dann gib mir bitte seinen Maulkorb, wir machen das schon“.
Es war nicht ganz einfach. Die soziale Kompetenz von Nero hat in den Monaten der Einzelhaltung ohne Kontakte zu anderen Tieren gelitten, war fast verschwunden. Alles was entfernt nach einem Hund aussah hat er angegriffen, bzw. wollte er angreifen. Anfangs führte ich Nero jeden Tag aus, damit er die aufgestaute Energie etwas loswerden konnte und wir uns näher kennenlernten. Gleich am Anfang kam seitens der Tierheim Mitarbeiter das Thema auf, ob er nicht zu mir kommen und da auch bleiben könnte. „Unmöglich! Wie soll ich dann meine Hundebetreuung betreiben, wenn er mit den anderen Hunden gar nicht kann? Außerdem würde er mir einen Platz wegnehmen. Nene, auf gar keinen Fall.“
Einige Tage später waren keine Hunde bei mir in der Betreuung. Es wurde mir erlaubt, Nero über Nacht zu mir nach Hause zu nehmen. Es lief alles richtig gut. Wir kamen auch mit anderen Hunden aus meinem Bekanntenkreis zusammen, das Ergebnis war, daß meine lieben Schicksalsgöttinnen, wie ich sie ab und zu nenne, für Wochen den Kontakt zu mir abgebrochen haben. Es war einfach zu stressig für alle, Hunde wie Menschen. Vor allem unser Gino litt darunter, dass meine Aufmerksamkeit nicht nur bei ihm war, so wie er es kennt.
Als ich Nero nach dem ersten Aufenthalt bei mir wieder ins Tierheim brachte, war es kein schönes Gefühl. Natürlich holte ich ihn am nächsten Tag wieder zum Spazieren ab, aber seitdem er bei mir zu Hause war, konnte ich die Vorstellung, dass er wieder in seinem Zwinger sitzt kaum noch ertragen. An einem anderen Tag, als ich ins Tierheim kam, um Nero auszuführen war ich bei ihm im Käfig. Nach der freundlichen Begrüßung setzte ich ihm seinen Maulkorb auf, in dem Moment kam ein Paar vorbei, sah uns und erstarrte: „schau mal, der muß sogar im Käfig einen Maulkorb tragen!“. „So, mein Freund, das werden wir wohl nicht mehr erklären können, da kommen wir nicht mehr raus…“.
Die Zeit mit Nero wurde nach und nach immer entspannter. Die Probleme mit anderen Hunden blieben, doch die Qualität veränderte sich, die pure Aggressivität wich zusehends der Neugier. Ich kann der Irenka nicht genug danken. Sie war zu diesem Zeitpunkt die einzige, die uns mit ihrem Jackie, dem Retter von Nero, immer wieder begleitete. Sie sprach über unsere gemeinsamen Spaziergänge mit Jiri und Susanne. So konnte ich mich mit Nero nach einiger Zeit auch bei ihnen blicken lassen. Tja, gleich bei der ersten Begegnung mit unserem Gino fing Nero einen Kampf an. Mit der Mia, einer dominanten American Akita Dame verstand er sich von Anfang an gut. Damals schon bildeten die beiden ein gutes Team.
So vergingen Tage und Wochen. Nero war immer häufiger bei mir zu Hause, mit der Zeit kam er mit einigen der Hunde, die bei mir zur Betreuung waren zusammen. Seine soziale Kompetenz kam langsam zurück, das Zusammensein mit seinen Artgenossen tat ihm offensichtlich gut, das ganze entspannte sich zusehends. Dann war es so weit. Die Frage, die gestellt werden musste wurde gestellt: wie geht es weiter mit ihm? „Können wir ihn offiziell zum Vermitteln frei geben?“, fragte die Tierheimleitung. „Die Vermittlung würde über Sie laufen, Sie entscheiden“. So wurde es auch gemacht. Da war Nero schon fest bei mir zu Hause, ich konnte mir aber immer noch nicht vorstellen wollen, daß er bei mir auf Dauer bleiben sollte. Die Gründe blieben gleich, hinzu kam, daß Nero in einigen Fällen sehr unfreundlich auf junge, unkastrierte Rüden reagiert(e). Es kam auch zu Verletzungen, was ja super geschäftsfordend ist. Nero kam auf die offizielle Seite des Tierheims als ein Hund, der ein Zuhause sucht. Seine Geschichte wurde in dem Artikel kurz erzählt, natürlich wurde auch das aggressive Verhalten Hunden gegenüber und seine Attacke gegen den Mitarbeiter des Tierheims erwähnt.
Es kamen sechs Anfragen. In einem Fall kam es zu einem Kennenlernen Termin. Ein junges Paar kam zu uns, um Nero zu beobachten. Wir gingen mit dem ganzen Rudel raus, auch meine Schicksalsgöttinnen mit Gino und Mia waren dabei. Ich wollte, daß die Interessenten Nero in Aktion erleben, um sich ein gutes Bild machen zu können. Nero zeigte sich von seiner bekanntesten Seite, er lief zwischen den Hunden umher, dann und wann korrigierte er den einen oder anderen auf seine Weise. Mittlerweile konnte ich ihn viel besser einschätzen und wusste, daß es einfach nur ein freundliches Getue von ihm ist, wenn er auf einen ihm bekannten Hund zuläuft, die Vorderpfoten in den Boden rammt und den Hund kurz anbellt. Das erklärte ich auch dem jungen Paar und fügte hinzu, daß es wichtig ist, ihn so zu sehen und zu erleben, um einschätzen zu können, ob sie mit ihm und seiner Präsenz in den verschiedenen Situationen zu Recht kommen. Die zwei jungen Menschen konnten sich selbst gut einschätzen, ihre ehrliche Antwort war ein Nein, wofür ich ihnen bis heute dankbar bin.
Die anderen Kontakte waren telefonisch und hier einige Perlen aus den Unterhaltungen:
„Ich bekomme immer, was ich will, bin sehr dominant“. Im Hintergrund hörte ich eine weibliche Stimme. Die Ehefrau des Anrufers schrie ihre Kinder an.
„Wann können wir uns den Hund anschauen?“, fragte ein anderer Interessent.
„Also diese Woche bin ich schon voll, das Wochenende auch, ich könnte Ihnen nächste Woche den Mittwoch oder den Donnerstag anbieten“.
„Aber das ist erst in 6 Tagen!“
„Stimmt“.
„Dann können wir es gleich lassen! So was aber auch!“ Der Anrufer legte ohne sich zu verabschieden auf.
Eine weitere Interessentin schüttelte mich mit Begriffen und einer Liste ihrer erfolgreichen Teilnahmen an Seminaren und Schulungen zu. Es war mir unmöglich, sie mir zu merken – die Liste meine ich. Sie wolle unbedingt einen Hund retten. Darauf erwiderte ich, daß Nero nicht gerettet werden muß, daß es ihm zurzeit ziemlich gut geht.
„Nero spricht rumänisch“ war eine der Aussagen eines weiteren Interessenten.
„Wie kommen Sie darauf?“, fragte ich.
„Na Nero, der rumänische Kaiser. Also meine Frau kann ihn abholen. Das kann sie, sie ist ja nicht vorbestraft“.
„Na, ich weiß nicht, ich glaube das wird nichts mit uns“.
„Was spielen Sie mit mir für ein Spiel, Herr Novak? Sie mit ihrem polnischen Akzent“.
Wahrscheinlich flatterte ganz tief in mir damals schon schwach das Licht der sicherer Entscheidung, das von mir noch nicht erkannt werden wollte – ich kann Nero nicht in andere Hände abgeben, das könnte ich vor mir selbst nicht verantworten. Wenn er von seinem neuen Menschen falsch behandelt werden sollte, wäre seine einzige Chance wieder zurück zu mir zu kommen. Damals wie heute bin ich der Meinung, daß Nero keine Egozentriker gebrauchen kann. Führung durch einen unsicheren Menschen würde er nicht akzeptieren, die Probleme wären hier vorprogrammiert. Es macht sich richtig gut in der Vita eines Hundes, der bereits als aggressiv gilt, wenn er unerwünschtes Verhalten zeigt, sich aufführt und andere Hunde angreift. Mit seiner Vorgeschichte gilt es für uns auch heute noch besonders gut aufzupassen.
Eine meiner Klientinnen, die ihre Hündin immer wieder zu mir bringt war bei der ersten Begegnung mit Nero total erstarrt. Ich dachte schon, sie nimmt ihren Hund und fährt wieder weg. Aber da sie eine sehr nette und tapfere Person ist und mir vertraut, konnte Nero eine weitere Freundin gewinnen. Einige Monate später meinte die Hundehalterin, daß ich Nero unbedingt behalten sollte. „Keiner könnte mit ihm so umgehen wie du“, sagte sie.

Jahre sind vergangen, seitdem wir uns mit Nero zum ersten Mal begegneten. Er ist ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Wenn ich dieses wunderbare Tier anschaue, rührt sich manchmal etwas in mir, was ich sonst nicht kenne. Beschreiben kann ich diese Empfindung nicht wirklich, aber sie ist im wahrsten Sinne des Wortes rührend. Dank des Zusammenspiels der Umstände kam ein Lebewesen zu mir, das viel gute Energie in unsere Welt bringt. Was für ein Verlust wäre es gewesen für uns alle, wäre er nicht mehr da! Wenn ich in Nero’s Augen schaue, entdecke ich in ihnen ungeahnte Tiefen. Was ist das, in das ich da hereinschauen kann? Die Quelle, der Ursprung des Lebens? Der Weg zurück zu unseren Wurzeln, unserer Reinheit? Ich weiß es nicht. Vielleicht.
Nero wird immer umgänglicher und einfacher zu handhaben. Die Herzen meiner drei Schicksalsgöttinnen hat er schon längst erobert, mit Mia und Gino zusammen sind sie eine harmonische, glückliche Gruppe. Natürlich liegt noch Arbeit vor uns, die Entwicklung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Junge, unkastrierte Rüden will er oft unbedingt „bearbeiten“, auch sonst gibt es dann und wann Momente, in denen er übertreibt. Bei bekannten Hunden und Hundehaltern ist es kein Problem, die Bedenken und Vorsicht bei Menschen, die ihn nicht kennen sind verständlich. Obwohl, neulich sind wir bei einem Spaziergang an einer Scheune vorbei gekommen, ich hörte vorher schon ein paar Geräusche, meine Hunde sind gleich hin und schauten nach. Es waren ein paar junge Menschen, die dort etwas arbeiteten und die freuten sich sehr als sie meine Hunde um sich hatten, sie wurden freundlich begrüßt und vor allem Nero ausgiebig gestreichelt, was der kleine Verräter wie immer sehr genoß. „Wenn ihr nur wüsstet“, dachte ich mir.
Es macht den Eindruck, daß es möglich ist, daß auch erwachsene Hunde so etwas wie eine Prägungsphase durchlaufen können. Nero kommt bei mir mit verschiedenen Hunden zusammen, was ihm ermöglichte, seine soziale Kompetenz zurück zu gewinnen. Manchmal setze ich ihn als Therapiehund ein – für Menschen und Hunde.
Am Anfang hieß es, Nero wäre sehr dominant, das ist er nicht. Er ist ein geborener Bodyguard und in der Rudelhierarchie ungefähr in der Mitte. Die ruhige Präsenz unseres sanften Leithundes Gino akzeptiert er völlig und lässt sich von ihr leiten. Seinen Retter Jackson, den er anfangs böse attackierte beschützt er mittlerweile, oder wenn Jackson aus der Reihe tanzt, bekommt er einen Stups mit der Nase in den Nacken. Eine unruhige, wilde, um sich schlagende Energie korrigiert Nero. Hunde, die sich aufführen will er beruhigen und ruhig haben, das ist seine Aufgabe im Rudel. Faszinierend ist die Entwicklung der Energie. Früher wollte Nero den anderen Hunden weh tun, die Bosheit ist verschwunden, zum Vorschein kommt ein normales, soziales Verhalten, auch wenn es manchmal immer noch spannend ist mit ihm. Er ist ein geborener Integrierer und Erzieher. Jedes vorbeilaufendes vierbeiniges Wesen will er kennenlernen und ins Rudel aufnehmen.
Nero ist ein Hirsch, es gibt kein Reh, dem er nicht nachlaufen möchte, um es ins Rudel zu integrieren.

Methode

Meine Methode ist es, keine Methode zu haben. Bei so vielen unterschiedlichen Charakteren unserer vierbeinigen Begleiter, Verhaltensweisen und Situationen will ich offen bleiben, an jeden Hund möglichst unvoreingenommen herantreten. Was uns in einem Fall weiter bringt, erweist sich bei einem anderen Hund vielleicht als der falsche Weg.
Wenn ich keine festen Vorstellungen habe, müssen die Hunde ihnen auch nicht angepasst werden, besser ist es, auf einen Hund individuell eingehen zu können. Natürlich wiederholen sich bei mir bestimmte Ansätze und Abläufe, meine Philosophie ist nun mal immer die gleiche.
Bei allem, was ich tue orientiere ich mich nach den natürlichen Abläufen, danach, wie die Hunde miteinander umgehen. Offensichtlich ist es genau das, was den Hunden gut tut. In unserem Rudel lasse ich den Hunden so viele Freiheiten, wie nur möglich, korrigiere sie aber konsequent, wenn sie nicht mitmachen. Ganz gleich, wie viele Hunde ich führe, wenn nur ein einziger etwas aus der Reihe tanzt, habe ich Chaos in der Gruppe.
Unter dem Punkt Energie beschreibe ich eine Situation, zu der es immer wieder kommt: ein Hund verhält sich bei mir anders als bei seinem Menschen, innerhalb von Sekunden kann sich das Verhalten ändern. Es stellt sich die Frage, warum ist dem so? Bei einigen Hundehaltern finden meine Worte nur schwer das Ziel, bei anderen ist es fast schon ein Selbstläufer. Eine meiner Lieblingsklientinnen fragte ich, was bei ihr angekommen ist? Was ihr am meisten geholfen hat, ihren nicht gerade einfachen Hund und seine Mätzchen ziemlich schnell in den Griff zu bekommen? Die Antwort gebe ich hier 1zu1 wider:
„Ich kann sagen, es war weniger das was du gesagt hast, sondern was und wie du es machst. Ich habe es beobachtet. Was ich gelernt habe durch dich, daß ich das, was ich meine auch wirklich so meine und gar nicht mit dem Hund diskutiere. Das was ich jetzt möchte ist so, da gibt es nichts drum herum. Es gibt keine Diskussion, ruhig bleiben und mental, das was ich meine bleibt in meinem Kopf. Nicht davon abbringen lassen, dann merkt der Hund das auch. Bei uns war das Hauptproblem, daß man selber mit seinen Gedanken zu viel herumspielte und dachte, wir müssen hier was machen und da was machen, damit es klappt. Man muß einfach nur das meinen, was man denkt. Nicht gestresst sein, keine innerliche Unruhe. Im Endeffekt ist das einzige, was man umsetzen muß, daß man ruhig bleibt. Dem Hund in allen Situationen das Gefühl gibt, daß man mit dem, was man vorhat, sicher ist. Viele geben dem Hund das Gefühl, daß sie selber eigentlich nicht wissen, was sie da machen, er soll aber trotzdem auf sie hören. Ich glaube das ist ein großer Punkt, großer Fehler, den viele Machen. Sie sind sich dessen gar nicht bewusst, daß sie mit einem Lebewesen leben und umgehen. Wir müssen den Hund nicht beherrschen, aber der Hund soll MIT einem leben und man soll nicht FÜR den Hund leben. Es ist wie bei Menschen, man muß miteinander auskommen und das funktioniert nur, wenn einer den Faden übernimmt. Da ist oft zu viel gehätschelt, zu viel „mein bester Freund“, zu viel Kuscheli, zu viel Leckerli hier und da, das ist das Hauptproblem. Ich habe es verstanden und deswegen, denke ich, konnte ich es auch umsetzen. Ich habe viel über Verhaltensweisen bei Hunden nachgelesen, viel recherchiert, wie ein Hund empfindet. So bin ich auch auf dich gekommen. Viele denken viel zu komplex, dabei sind Hunde ganz einfach gestrickt“. Vielen Dank an Saskia!

Prinzip

Das Prinzip der Mensch-Hund Verständigung ist so einfach, daß es kaum jemand glauben will. Man kann es mit einem einzigen Satz zusammenfassen: wir zeigen unseren Hunden, wie wir mit der Situation umgehen.
Dazu brauchen wir nicht viel. Nur uns als Rudelführer, ruhige Präsenz, freundliche Konsequenz, Herzensgüte. Warum diese Einfachheit nicht bekannt ist und nicht praktiziert wird kann im Grunde zwei Ursachen haben: Unwissenheit oder Geheimhaltung.
Seit Jahren herrscht in der Welt der Mainstream Hundeexperten offensichtlich die Meinung, daß das Problemverhalten eines Hundes nur mit Training zu behandeln ist. Wenn ein Hund auf so eine Kur nicht anspricht, ist er eben komisch, anders, genetisch vorbelastet und somit im besten Falle für den Gnadenhof geeignet.
Eine Familie mit 2 Kindern wollte sich einen Familienhund zulegen. Nach ausgiebiger Recherche wurde eine Continental Bulldoge von einem Züchter geholt. Diese Rasse wird als sehr familienfreundlich angepriesen, was ja auch stimmen mag. Doch, jeder von uns hat seinen eigenen Filter, wie er die Wirklichkeit wahrnimmt. Sachen die uns gefallen nehmen wir gerne wahr und konzentrieren uns auf sie, anderes können wir sehr gut unterdrücken. Bei einer Bulldoge ist die absolute Konsequenz notwendig. Das entging der Familie, der Hund kam, sah und siegte. Anfangs war es nicht dramatisch, eigentlich war es überhaupt nicht dramatisch. Das Verhalten der männlichen Bulldoge war klar nachvollziehbar. In der Familie herrschte Inkonsequenz, jeder hat den Hund anders behandelt und anders beansprucht. Einmal durfte der Hund auf die Couch, einmal wollte es man ihm verbieten. Das Ergebnis war, daß das Herrchen mit der Zeit aus dem Schlafzimmer gejagt wurde, weil das Frauchen von dem Hund als seine Ressource betrachtet wurde.
So ging es eine Zeitlang bis eines Tages die Situation komplett außer Kontrolle geriet. Das Herrchen wollte eines der Kinder maßregeln, das Kind führte sich auf, der Hund griff an, das Herrchen endete im Krankenhaus. Ich habe den Hund kennengelernt. Es ist ein liebes Tier, das einfach nur etwas Konsequenz braucht, um die Welt zu verstehen. Der Hund ging zurück zum Züchter, weiteres Schicksal unbekannt.
Bob (nennen wir ihn mal so) ist ein Hundeexperte, der Wesenstest bei verhaltensauffälligen Hunden durchführen darf. Bob erklärte der Familie, daß man heutzutage nicht mehr wissen kann, was bei einem Hund alles drin ist, was da eingekreuzt wurde. Vielleicht ein Stafford, vielleicht eine andere „Kampfhund“ Rasse, wer weiß das schon. Das Ergebnis sei, daß viele Hunde nicht mehr kontrollierbar sind. Die Familie hatte laut Bob einfach nur Pech, den falschen Hund zu bekommen.
Unabhängig davon las ich einmal irgendwo, daß es durch die Überzüchtung und andere Umstände mittlerweile sehr viele Hunde geben soll, die nicht mehr zu handhaben sind. Jedem Experten und jedem Hundehalter wird hier ein Türchen geöffnet, das ihnen eine wunderbare Ausrede bietet, wenn sie mit einem Hund und den Umständen nicht zurechtkommen. „Pech gehabt, den falschen Hund erwischt, da kann man eben nichts machen. Ist kaputt, weg damit“.
Mittlerweile gibt es unzählige Bücher und TV-Sendungen zum Thema Hund. Eine TV-Sendung entsteht nicht einfach so. Es muß ein Konzept erarbeitet, besprochen und genehmigt werden. Den Zuschauern soll etwas angeboten werden, was sie fesselt. Würde man erkennen und zugeben, daß die ganze Problematik so einfach ist, könnte man nach spätestens 2 Folgen so eine Sendung wieder einstellen, weil man nichts weiteres mehr zu sagen hätte. Das wäre nicht wirtschaftlich, die Werbeplattform Fernsehen muß gefüttert werden. Den Zuschauern werden Geschichten präsentiert, die alleine der Sendung dienen, aber kaum dem Hund. Für jedes Problemchen gibt es mindestens 2 Lösungsansätze, die auch noch sehr kompliziert und nicht einfach umzusetzen sind. Sehr beliebt sind Sendungen mit Welpen. Auch Hunde, die unsere Emotionen, unser Beschützerinstinkt ansprechen werden gerne gesehen. Das wissen natürlich die Fernsehermacher.

Rasse

Für mich spielt die Rasse keine Rolle, technisch und gefühlsmäßig nicht. Das gleiche gilt bei mir auch für die Hautfarbe, Herkunft und Religion.
Innerhalb einer Rasse gibt es die unterschiedlichsten Charaktere: Golden Retriever der nicht apportiert und nicht verfressen ist, ein Labrador, der sich wie ein Schäferhund verhält, ein Weimaraner, der sich für einen kleinen Hund hält, ein Zwergpudel mit Größenwahn und unzählige andere.
Mit dem Drücken der Rasse in den Vordergrund können die Vorurteile ihren Anfang nehmen. Selbst gehe ich lieber auf den einzelnen Hund ein, auf das, was ich sehe und empfinde, nicht auf das, was andere geschrieben haben, ohne den Hund überhaupt gesehen zu haben.
Mittlerweile soll es weltweit über 800 Hunderassen geben. Stellen wir uns vor, daß jede Rasse einen anderen Umgang braucht, dann bräuchten wir mindestens 800 verschiedene Methoden, mit einem Hund umzugehen. Hier kommen mir die Worte von Dalai Lama in den Sinn: „Es gibt viele Regeln in der buddhistischen Philosophie, ich kenne sie auch nicht alle“.
Ein Hund ist vor allem ein Tier, dann ein Hund. Auch wenn es unzählige verschiedene Charaktere gibt, im Grunde brauchen alle Tiere die gleichen Zutaten nur unterschiedlich dosiert.
Vor kurzem meinte eine Hundehalterin von zwei Hunden, die völlig unterschiedlich sind, daß es nicht immer an dem Menschen liegt. Der eine Hund von ihr ist ruhig, der andere dreht völlig durch.
Jeder der beiden braucht eine andere Herangehensweise. Wir sollten unseren Hunden immer das geben, was sie brauchen, im richtigen Verhältnis. Beobachten Sie Ihren Hund, Sie kennen ihn am besten, verbringen die meiste Zeit mit ihm.

Tier

"Ich bin ein Tier,
Leben und Tod,
Ich bin in dir,
Dämon und Gott."


Kein Mensch wird uns je so anschauen können wie ein Tier. Unsere Tiere brauchen unser Verständnis, unsere Empathie, unsere Güte. Wenn wir mit unseren Tieren umgehen, sollte uns vor allem eins klar sein: behandeln wir unsere Tiere wie Tiere, das haben sie verdient.
Das Tier ist die wichtigste und die stärkste Komponente bei unseren Hunden. Rasse, Geschlecht, Name, Charakter, Temperament, all das sind Sachen, die eine untergeordnete Rolle spielen.

 

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