NERO
2021
Nero wurde beschlagnahmt und landete so im Tierheim der Stadt Würzburg, wo er über ein halbes Jahr verbrachte. Kurz vor Weihnachten hat er in einer Stress-Situation einen Pfleger mehrmals gebissen, woraufhin er als unvermittelbar und hoch aggressiv eingestuft wurde.
Nero wiegt 45 kg, ist kastriert und sein Alter wurde auf 5-6 Jahre geschätzt.
Seitdem er im Tierheim ist, hatte er keine Kontakte zu anderen Hunden, seit dem Beissvorfall, also etwa ein Monat lang, durfte er seinen Zwinger nicht mehr verlassen. Wir wissen nicht sehr viel über seine Vergangenheit. Was wir wissen ist, dass er sich gegenüber Menschen, die er nicht kennt neutral verhält und daß er im Moment noch unverträglich ist mit anderen Hunden. Wir wissen auch, dass er zu "seinen Menschen" sehr schnell Vertrauen aufbaut.
Nero zeigt typisches Schäferhund Verhalten und was er braucht, ist souveräne, ruhige Führung und Anleitung. Auf gar keinen Fall darf man bei ihm über Dominanz kommen.
Aufgrund der hier beschriebenen Tatsachen kann er nur an Hundeführer abgegeben werden, die Nero, sein Charakter und seine Persönlichkeit akzeptieren und 100% respektieren.
Wir arbeiten im Moment an seiner Resozialisierung und jeden Tag können wir sehen, wie gut er sich entwickelt, wie er Fortschritte macht. Z. B. konnten wir mittlerweile die Distanz, in der die Anwesenheit anderer Hunde und deren Anblick akzeptiert, wesentlich verringen. Allerdings wird es noch etwas dauern, bis er verstanden hat, dass er andere Hunde vollkommen akzeptieren kann/soll.
Das Problem ist, dass Nero die Hundesprache entweder nie richtig gelernt hat oder vergessen hat, wie man mit anderen Hunden kommuniziert. Das können auch die Auswirkungen der monatelangen Isolation sein. Aber er ist auf dem richtigen Weg.
Wer es schafft, Nero für sich zu gewinnen, etwas Zeit und Geduld aufzubringen, der wird ein tolles Tier, einen tollen Partner gewinnen.
UPDATE 04. 02. 2022
Nach gut 2 Wochen Resozialisierung können wir folgendes berichten:
Nero hat die Hundesprache/Hundekommunikation wieder erlernt. Das und sein Verhalten zeigen, dass er gut sozialisiert wurde. Wir bringen ihn immer wieder mit anderen Hunden zusammen. Er ist nun das 2. Mal für mehrere Tage bei mir und es zeigt sich, dass er sehr gut mit anderen Hunden umgehen kann. Er ist ruhig und ausgeglichen, kann andere Hunde sehr gut korrigieren, z. B. wenn sie zu aufgedreht sind, und auch in diesen Situationen bleibt alles im Rahmen einer normalen Hundeunterhaltung.
Seit wir angefangen haben mit ihm zu arbeiten, hat er noch nie, nicht einmal ein Anzeichen von aggressivem Verhalten Menschen gegenüber gezeigt. Die Begegnungen mit anderen Hunden lernt er immer besser zu meistern und auch hier hat er sehr viel sehr schnell gelernt. Vorsichtshalber lassen wir noch nicht immer alle Hundekontakte zu, aber er macht sich mittlerweile so gut, dass wir ihn auch schon mit anderen, lauten Rüden zusammen bringen konnten.
Einige Tatsachen spielen in dem Prozess der Resozialisierung eine wichtige Rolle:
Nero ist dem Stress im Tierheim nicht mehr ausgesetzt. Auch wenn er unter der Woche einige Nächte wieder im Tierheim verbracht hat, das vorige Wochenende, als er bei mir war, hat ihm so gut getan, daß er die gute Entwicklung beibehalten konnte.
Wir gehen mit ihm im Moment jeden Tag spazieren.
Wir bringen ihn mit anderen Hunden zusammen.
Mit anderen Worten: Hundekontakte, Stress wegnehmen und artgerechte Auslastung. Das sind die Zutaten, die ihm so extrem gut tun.
2024-25
Nero ist der beste Hund, den man sich wüschen kann. Loyal, freundlich, jegliche Anzeichen von aggressiven Verhalten anderen Hunden gegenüber sind komplett verschwunden. Er kann immer noch laut bellen und will andere Hunde korrigieren, wenn diese zu wild oder unausgeglichen sind. Wenn er von einem anderen Hund aggressiv angegangen wird, weicht er einfach nur aus.
Es ist für mich ein Glück, daß er den Weg zu mir gefunden hat. Seine Güte, seine freundliche Präsenz und gute Energie, die er verbreitet, bereichen die Welt, mein Leben und das Leben anderer. Ich erinnere mich immer wieder daran, wie er zu mir kam. Nero ist das klare Beispiel dafür, wie fehlerhaft die Meinungen und Einschätzungen von uns Menschen sein können.
MIKO
Unser Kleinpudelmix Miko (* 17.01.2021) ist jetzt schon seit über zwei Jahren bei Vladi. Miko zeigte stark aggressives Verhalten gegenüber fremden Menschen und Hunden. Wir konnten Miko nicht alleine lassen, ohne uns war er zu Hause extrem ängstlich und aufgeregt. Bei den Spaziergängen bellte Miko die ganze Zeit, zog ständig an der Leine, fand keine Ruhe. Wir versuchten es mit zwei Hundetrainern. Beide haben so einen Hund noch nie gesehen. Es wurde uns empfohlen, Miko untersuchen zu lassen, da sie sich sein Verhalten nicht erklären konnten als mit körperlichen Ursachen. Ärztliche Untersuchungen (u. a. Röntgenbilder, Blutuntersuchungen) schlossen körperliche Ursachen für sein auffälliges Verhalten aus.
Zum Glück haben wir Vladi gefunden!
Seit Miko in der Hundebetreuung ist, hat sich sein Verhalten wesentlich gebessert. Vladi schafft allein durch seine Präsenz einen sicheren Rahmen, indem Miko Teil des Hunderudels sein kann und vielfältige positive Erfahrungen in verschiedenen Situationen sammeln kann. Bei Vladi verhält sich Miko bereits vorbildlich - wir als Besitzer müssen im Umgang mit unserem besonderen Hund noch einiges lernen, damit Mikos Verhalten auch zu Hause so lobenswert wird. Miko und unsere Familie sind sehr dankbar für Vladis unermüdlichen Einsatz und freuen uns auf viele weitere Jahre mit Vladis stets zuverlässiger und kompetenter Hundebetreuung.
Vielen Dank an Sabine!
Miko ist ein ganz spezieller Fall. Die Abläufe bei ihm sind viel schneller als bei den meisten anderen Hunden. Die Kommunikation mit ihm sollte dementsprechend kurz gehalten werden. Wie so oft, liegt auch bei Miko der Hund in der Kommunikation begraben. Zu viel Aktion schadet solchen Hunden. Also tat ich (und tue) das, was ich am liebsten mag: Nichts.
Bis heute ist Miko ein beispielhafter Fall für einen Hund, der sein Verhalten in Sekundenbruchteilen ändert, je nach dem, wer anwesend ist. Es ist interessant die Unterschiede zu beobachten. Wenn er zu mir kommt, geht er "wortlos" an mir vorbei auf seinen Platz, dort richtet er sich ein und ist ruhig und zufrieden. Wenn er von seiner Familie abgeholt wird, zeigt er bis heute ganz anderes Gesicht: er will seine Menschen anspringen (was er bei mir nie tut), zeigt alle Anzeichen von Stress, die Ruhe und Gelassenheit sind wie weggeflogen. "Aus ist es mit der Erholung, meine Schicht fängt wieder an!"
Früher hat er Menschen und Hunde angegriffen. Interessanter Weise wird Miko von vielen Menschen, denen unser Rudel begegnet als das Kuscheltier verkannt, was eine Fehleinschätzung ist. Miko ist eine vorlaute Diva mit Napoleon-Komplex. Ich gab ihm den Spitznamen die Klapperschlange.
MONKEY
Monkey - sein ganzer Name lautet
Leon von Schmetterholz ist ein junger, etwa 3 Jahre alter Deutscher Schäferund. Der Hund wurde auffällig, war schwer zu kontrollieren, machte durch sein aggressives Verhalten die Gegend unsicher, konnte seine Stabilität nicht finden. Einmal, in einem Moment der Unaufmerksamkeit lief er seinen Besitzern auf und davon. Ein freilaufender Schäferhund mit schwer einschätzbaren Verhalten fällt natürlich auf, Monkey bekam Auflagen: Maulkorb, max. 3m lange Leine.
Das war vor 2 Jahren. Seitdem geht sein Halter mit ihm 2x/Woche zu zwei verschiedenen Hundevereinen: zu einem Schäferhund-Verein mit einem kompetenten Hundeführer, der auch schon einige Preise mit seinen Hunden gewinnen konnte und zu einem Hundeplatz, wo Hunde und ihre Menschen von proffessionellen Hundeausbildern angeleitet werden.
Die Erfolge blieben aus. Monkey konnte nicht mit anderen Hunden zusammen gebracht werden, sein Verhalten Mensch und Tier gegenüber wurde so schlimm, dass dem Besitzer empfohlen wurde, den Hund aufzugeben und an einen Gnadenhof abzugeben. Eines Tages ist er wieder weggelaufen, es kam, wie es kommen musste: die Polizei kam, die Auflagen wurden verschärft, den Besitzern wurden 4 Wochen Zeit eingerämt, den Hund und sein Verhalten unter Kontrolle zu bekommen, sonst wird ihnen der Hund weggenommen.
In dieser Phase wurde ich kontaktiert und gefragt, ob ich mir Monkey anschauen könnte. Natürlich sagte ich auch diesmal zu. Ich erklärte pflichtbewusst, dass ich keine Hunde trainiere oder ausbilde, dass ich nichts anderes als Hundebetreuung betreibe. Ich bot den Besitzern an, Monkey zu mir in die Betreuung zu geben. Am ersten Tag sind wir mit Monkey und seinem Herrchen spazieren gegangen, ich konnte kein Problemverhalten sehen. Das änderte sich schlagartig, als Monkey ins Auto gebracht wurde und ich in seine Nähe kam. Der Hund rastete komplett aus, demolierte die Inneneinrichtung des Wagens, war nicht zu beruhigen, wollte nur noch angreifen und töten.
Was macht man in einer solchen Situation? Ich wollte nicht weg gehen, solange sich der Hund aufführt, also warteten wir ab, fast eine Stunde lang. In einem kurzen ruhigeren Moment ging ich weg. Erst Tage später wurde mir erzählt, daß Monkey einmal, als er vor einem Geschäft alleine im Auto war, von einigen fremden Männern provoziert und offensichtlich auf drangsaliert wurde. Wahrscheinlich wurde er mit der Autotür mehrfach erwischt, als die Männer sie zuknallten. Seitdem erträgt Monkey keine fremden, dunklen Gestallten in der Nähe seines Autos, wenn er drin sitzt.
In den nächsten Tagen und Monaten kam Monkey immer wieder zu mir. Es ist seinen Haltern hoch anzurechnen, dass sie diesen Aufwand auf sich genommen haben. Wir brachten Monkey nach und nach mit dem Rudel zusammen. Der erste war: Nero. Kaum zu glauben, wenn man die Vorgeschichte kennt.
Gleich am 2. Tag konnten wir Monkey mit dem Rudel zusammen bringen. Eine Sache, die sich die Trainer und Ausbilder bei ihm nicht trauten. Monkey meisterte die Situation richtig gut, konnte die anderen Hunde um sich gut ertragen. Mit zwei Rassen hatte er besondere Probleme: mit Bulldogen und mit Huskies. In einem Moment, als er auf die kleine Französiche Bulldoge von Heinz losging, artete die Situation aus. Zum Glück konte ich mir den Monkey packen, leinte ihn an und ging mit ihm alleine spazieren. Ohne andere Hunde, ohne sein Herrchen. Wir atmeteten sie Situation weg, kamen zurück, fingen von Neuem an.
Vom Tag zu Tag wurde es besser, aber es war und blieb immer noch spannend. Erst nach etwa 3 Wochen konnte man die Veränderung auf einmal sehen: Monkey fing an, im Rudel "mitzuschwimmen". Seitdem fühlt er sich gut, seine Trainer und Ausbilder sind sprachlos und können es nicht wirklich verstehen, wie es bei einem solchen Hund möglich war, ihn zu resozialisieren.
Das zerstörerische Verhalten im Auto ist auch fast schon verschwunden. Ich kann noch nicht sagen, dass es komplett weg ist, aber Monkey erträgt es nun oft ohne Proteste, wenn ich an "sein" Auto herantrete. Einmal machten wir auch schon eine Testfahrt: Monkey hinten, ich auf dem Beifahrersitz - alles blieb ruhig. Coole Sache. Wieder ein Hund, dem man sein Leben zurück geben konnte.
Monkey ist ein rangniedriger Rüde. Diese Erkenntnis gewinn man nur, wenn ein Hund mit anderen Hunden zusammen kommt. Die Kontakte zu seinen Artgenossen, die für unmöglich gehalten wurden, halfen Monkey sich zu entspannen, das Problemverhalten ist praktisch verschwunden. Er ist ansprechbar und leichter zu handhaben. Bei Hundebegegnungen reagiert er unterschiedlich, beim rechtzeitigen "Einlenken" sind sie einfacher zu meistern. Monkey ist sehr auf sein Herrchen fixiert, das kann dazu führen, dass er seinen Menschen beschützen will.
Mittlerweile können wir sagen, daß Monkey sich an mich gewöhnt, ab und zu kommt er kurz zu mir, um einen kurzen Kontakt zu suchen.
FANNY
Fanny ist eine junge Hündin, Dogge/Malinoi/Labrador-Mix, die mit ihrer Familie bei mir in der Gegend lebt. Ihre Halter haben bereits Hundeerfahrung, Fanny kam als Welpe zu ihnen. Der vorherige Hund war einfach und umgänglich. Fanny stellte all die Vorstellungen und Erwartungen der Familie auf den Kopf, das Zusammenleben wurde zur Tortur.
Einige Male konnte ich das Frauchen mit Fanny bei mir vorbei laufen sehen. Die Spaziergänge waren offensichtlich sehr anstrengend für Mensch und Hund. Eine andere Frau aus der Nachbarschaft trifft mich und das Rudel des öfteren. Wir unterhalten uns, sie kann die Hunde beobachten, findet Gefallen an ihnen und daran, wie entspannt und gehorsam sie sind. Sie empfiehl mehrmals dem Frauchen von Fanny, mich zu kontaktieren. Es hat schon etwas gedauert, bis der Anruf kam.
Am ersten Tag gingen wir zu dritt erstmal spazieren. Und das Licht ist uns aufgegangen: Fanny ist sehr verängstlicht. Das war die Ursache des wilden Verhaltens, sie war auch gar nicht imstande, den Kontakt zu ihren Menschen aufzunehmen, weil sie von den Reizen der Umwelt komplett überfordert war.
Bevor wir mit Fanny zusammen kamen, haben es ihre Halter mit einem Hundetrainer und mit einer Hundetrainerin versucht. Keiner der beiden erkannte die Angst. Der Trainer versuchte es mit Gewalt, die Trainerin wollte die Angst mit Leckerlis "wegtrainieren". Die Halter informierten sich in ihrer Verzweiflung auch in den Fachbüchern. Dort steht zum Beispiel, dass sie mit ihrem Hund während der Spaziergänge viel sprechen sollen, um den Hund zu motivieren. "Das macht alles nur noch schlimmer", sagte ich, als wir darüber sprachen. Ein Hund, der nervös oder gar ängstlich ist, wird vom ständigen Zutexten nur noch nervöser. Ein Hund versteht die Worte nicht, nimmt aber die Energie und die Aufmerksamkeit wahr, die ihm falsche Signale und Informationen vermitteln.
Es stellte sich auch hier die Frage: was nun? Training funktioniert nicht, Hundeschule funktioniert nicht, mit Gewalt geht es schon gar nicht. Also tat ich wieder das, was ich eigentlich die meiste Zeit tue: Nichts. Ich nahm Fanny an kurze Leine (30-40cm), setzte mich zu ihr und wartete einfach ab. Den Hund so kurz zu halten hat natürlich einen Grund: er soll keine Gelegenheit haben, sich mit seiner Umwelt zu beschäftigen, mir und meiner Präsenz auszuweichen. Jegliche Ersatzbeschäftigung, die der Hund sich in einer solchen Situation selber aussucht, steht der Kontaktaufnahme im Weg. Und genau das ist das Ziel, der wichtige Punkt. Der Hund soll von sich aus Kontakt zu dem Menschen aufnehmen.
Wir warteten und warteten. Fanny schaute nach links, Fanny schaute nach rechts, Fanny schaute nach hinten, nach unten, nach oben, nur nicht zu mir. Wollte mich einfach wegignorieren: "der wird schon wieder verschwinden". Für solche "Aktionen" brauchen wir Zeit und Geduld. Wenn wir noch was anderes vorhaben und unter Zeitdruck steheh, brauchen wir gar nicht anzufangen. Wir warteten weiter. Fanny fand jedes Staubkörnchen offensichtlich interessanter als mich. Dann, nach etwa 25 Minuten schaute sie kurz zu mir. Ich tat wieder nichts, schaute nur zurück. Fanny wandte sich schnell wieder ab. Nach 1 oder 2 Minuten schaute sie mich wieder an. Diesmal beobachtete sie mich länger. Und dann geschah es: sie kam zu mir, gab mir ein Küsschen und fing an sich zu freuen. Zum ersten Mal in ihrem Leben entspannte sie sich während eines Spaziergangs. Sie sprang, rannte herum, erfreute sich am Leben, kam immer wieder zurück zu uns, suchte Kontakt. "Da haben wir sie. Jetzt ist sie endlich da!"
Seitdem läuft es viel entspannter. Wir treffen Fanny meistens 1x/Woche zum gemeinsamen Spazieren. Die Begegnungen mit mir und dem Rudel verlaufen entspannt, die Angst ist verschwunden. Das Frauchen braucht noch etwas mehr Konsequenz. Fanny versteht noch nicht, dass die Welt neben oder hinter ihrem Frauchen genauso interessant ist und gut riecht, wie 2 Meter vor ihr.
Bei Fanny erreichten wir in dem hier beschriebenen "magischen Moment" ein wichtiges Ziel: sie hat angefangen, den Kontakt zu ihrem Menschen zu suchen. Wenn wir mit unseren Hunden kommunizieren wollen, müssen sie für uns erstmal erreichbar sein. Ohne Kontaktaufnahme keine Kommunikation.
SHADOW
Shadow ist ein junger, 15 Monate alter Dobermann, ein typischer Vertreter seiner Rasse. In der Fachliteratur werden solche Hunde als hoch reaktiv bezeichnet: nervös, sehr schnell in seinen Reaktionen auf alle Eindrücke - und unsicher. Trotz seines Partners im Haushalt - einem 6 Jahre älteren Mops - schaffte er es die ganze Zeit nicht, anderen Hunden zumindest einiger Maßen gelassen zu begegnen. Gleiches gilt für andere Reize wie Besucher oder vorbei fahrende Autos. Die Frage stellt sich, warum er sich bei anderen, fremden Hunden so aufführt? Besonders junge Hunde brauchen neue Reize, neue Erfahrungen. Ein "zum Inventar gehörender" Artgenosse ist nicht genug. Der Zustand von Shadow war das Ergebnis von zu wenig Erfahrung, kombiniert mit fehlender Führung und Unsicherheit. Der Trick bei solchen explosiven Rabauken liegt darin, alles betont langsam zu machen: das Anlegen vom Halsband, das Anleinen, an die Tür gehen, durch die Tür gehen usw. Und - NICHT SPRECHEN: keine Kommandos, keine Motivationsgeräusche, nichts.
Seine Halter gingen mit ihm 4 Monate lang in oder besser gesagt VOR die Hundeschule. Am Anfang wurde das Verhalten getestet, indem Shadow am Zaun andere Hunde vorgestellt wurden, was selbstverständlich Aggression pur verursachte. Auch "meine" Hunde, die sich bereits gut kennen, bellen sich oft an, wenn sie an verschiedenen Seiten des Zauns sind. Die Trainingsmaßnahme der Hundetrainerin bestand darin, die Halter mit Shadow draußen am Zaun des Geländes der Hundeschule hier und her laufen zu lassen, während auf dem Gelände andere Hunde und Menschen ihr Programm absolvierten. Die Begründung der Trainerin: "Früher oder später wird er sich schon an die Nähe anderer Hunde gewöhnen". Die 4 Monate vergingen ohne jeglichen Erfolg.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt wurde ich kontaktiert. Wir trafen uns bei Shadow zu Hause, die Aufregung war groß, der 1. Spaziergang mit dem Frauchen durchwachsen. Ich schlug vor, Shadow alleine zu führen, ohne seine Menschen, um ihn besser kennenzulernen. Er reagierte sehr gut. Was sofort sichtbar wurde, war seine Umwelt-Unsicherheit, Shadow hatte Nachholbedarf. Alles machte ihm Angst: ein vorbei fahrender Schiff, ein Geräusch von Bäumen im Wind, ein weit oben fliegender Hubschrauber. Mit Hunden ging nicht wirklich viel, in seiner Unerfahrenheit und Unsicherheit greifte Shadow alles an, was entfernt nach einem Hund aussah. Aber, und das war die gute Nachricht, es waren alles nur Scheinangriffe. Nichtsdestotrotz, wenn ein Dobermann sich auffüührt, ist es ein beeindruckendes Schauspiel.
Die Hunde in meinem Rudel sind mir eine große Hilfe. Ich kenne sie, kann sie gut einschätzen, weiß ziemlich genau, was welchem von ihnen zuzutrauen ist und welche von ihnen mit einer Situation, einer Begegnung gut umgehen können. Also legten wir los.
Wir brachten Shadow mit anderen Hunden zusammen. Zum ersten Mal im Leben konnte Shadow anderen Hunden unmittelbar begegnen. Es war spannend. Die Spaziergänge verliefen eine Zeit lang immer wieder nach dem gleichen Muster: nervöser Dobermann, der andere Hunde laut, mit fletschenden Zähnen angreift. Nach 10, 20 Minuten legte sich die Aufregung. Interessant war es in der Tagesbetreuung: Shadow ist viel umgänglicher, wenn seine Halter nicht anwesend sind. Das ist ein oft zu beobachtender Umstand: Hunde, die sich entspannen, wenn ihre Menschen nicht dabei sind. Das wird daran liegen, daß die Hunde sich in der Abwesenheit ihrer Halter entspannen können, weil sie (die Hunde) nicht arbeiten müssen.
Wir gaben Shadow die Gelegenheit, mehr Kontakte zu Artgenossen zu haben, die Magie des Rudels kennenzulernen. Entscheidend ist, daß das Rudel stabil ist und die Hunde unter Kontrolle. Nur so kann ein neuer, unerfahrener Hund die Energie des Rudels übernehmen. Mehrere instabile Hunde zusammen zu bringen ist kontraproduktiv.
Es macht wenig Sinn, den 2. oder den 3. Schritt vor dem ersten zu tun, also gingen wir zum Schritt Nummer 1 zurück: der Entdeckung der Welt. Mit anderen Worten - wir gehen einfach nur spazieren. Dieses Allheilmittel bewirkt Wunder.
Es hat einige Zeit gedauert, bis Shadow seine Umweltunsicherheit ablegen konnte. Als nächstes kam seine soziale Inkompetenz zum Vorschein. Shadow war in seiner neu gewonnenen Freiheit distanzlos, rempelte laut bellend andere Hunde an. Auch das legt sich langsam. Er ist nun mal ein pubertierender PuberTIERer. Demnächst werden wir ihn mit einigen "jungen Wilden" zusammen bringen, die ihm vom Charakter, Energie und auch körperlich gewachsen sind.
Hinter der Fassade des großen bösen Wolfes versteckt sich der wirkliche Shadow: ein unsicherer, lieber Junghund, fast noch welpenhaft in seinem Verhalten.
DER HUND, DER NIE NACH HAMBURG KAM
Pelle, auch Hulk genannt, ist ein Boxer: groß, muskulös, stark, liebevoll. Er und seine Halter kamen zu mir, als er ungefähr 3,5 Jahre alt war. Bei Pelle funktionierte draußen überhaupt nichts. In dem Moment, in dem irgendwo in der Ferne ein Hund auftauchte, ging das Theater los. Pelle war nicht zu bremsen, der einzige Weg schien zu sein, jegliche Kontakte zu vermeiden. Auch Pelle hat zu Hause einen "zum Inventar gehörenden" Artgenossen.
Die Halter engagierten nacheinander 4 Hundetrainer, besuchten mit dem Hund eine Niederlassung eines namhaften Hunde-Fernseher-Prediger, einen Hundeverein. Es wurde nicht besser. Pelle wurde als hoch aggressiv definiert, die Experten fanden keinen Weg, ihn und sein Verhalten in den Griff zu bekommen. Als die Möglichkeiten erschöpft zu sein schienen, Fand das Frauchen die Internetseite eines Hundeexperten aus Hamburg, der auf seiner Seite damit wirbt, daß er jeden Hund hinbekommt. Voller Hoffnung wurde angerufen.
"Wir haben einen Hund, bei dem wir sehr dringend Hilfe brauchen".
"Erzählen Sie mir mehr".
"Pelle ist ein junger, 3 Jahre alter Boxer...",
"Moment! Ein Boxer? 3 Jahre alt? Bei dieser Rasse und bei dem Alter kann man nichts mehr machen, tut mir leid, auf Wiederhören".
Bei unserem ersten Treffen versuchten wir, Pelle die Hunde aus dem Rudel vorzustellen. Es war eine klare Niederlage für mich, ein klarer Sieg für den Hund. Es funktionierte einfach nicht. Pelle war nicht zu kontrollieren, von Beruhigen ganz zu schweigen. Solange er andere Hunde sah, reagierte er überhaupt nicht auf Menschen.
Beim zweiten Mal bat ich die Halter, Pelle zu bringen und uns alleine zu lassen. Wir gingen langsam und ganz entspannt spazieren, nur der Hund und ich. Es wurde klar, daß Pelle ein ganz liebevolles Tier ist. Wir ließen uns Zeit. Pelle durfte schnüffeln, ließ sich sehr leicht führen, reagierte vorbildlich. Auch hier gibt es einen Trick: nichts von dem Hund zu wollen, nichts zu erwarten.
Es geht darum, einfach nur Zeit miteinander zu verbringen, das Tier zur Ruhe kommen zu lassen. Nach dem Spaziergang ging es zum Rudel. Beim ersten Kontakt am Zaun und am Tor von unserem Gartengelände reagierten die Hunde so gut, daß wir den nächsten Schritt wagten: Pelle durfte zu den anderen Hunden. Bereits nach nur 10 oder 15 Sekunden drehte ich ein kurzes Video für die Halter: "hier ist euer Hund unmittelbar nachdem er zum Rudel kam". Man hätte glauben können, ein Wunder ist geschehen. Pelle zeigte keine Aggression, genoß das Bad in der Menge, wurde innerhalb von Sekunden angenommen und ins Rudel integriert. Da er ein junger Kerl ist und bis zu diesem Moment noch nie zu anderen Hunden durfte, hatte er - und hat immer noch - Nachholbedarf: Rennen, Hüpfen, Spielen, alle möglichen Arten von Kommunikation. Das war das Programm des Tages und so ist es bis heute, wenn er zu uns kommt. Ähnlich wie bei Monkey oder Shadow - Pelle sehnte sich nach anderen Hunden. Das, was die Experten als Aggression abgetan haben war nichts anderes als ein Hilferuf: ein Hund wollte einfach nur mit anderen Hunden zusammen sein.
Nero, Monkey, Fanny, Shadow, Mikey, Pelle. Diese Hunde haben eins gemeinsam: die Experten kamen bei ihnen nicht weiter. Teilweise wurden von ihnen die Hunde als hoffnungslos eingestuft und aufgegeben. Wir gehen manchmal alle zusammen spazieren: die Hunde und ihre Menschen.
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